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Spieltrieb: Roman

Spieltrieb: Roman

Titel: Spieltrieb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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wollte er sie ins Gesicht schlagen. Aber er bremste und nahm das Buch vom Tisch. Es war die Satanische Bibel.
    »Ein schlechtes Buch«, sagte Ada leise. »Es ist aus der Froschperspektive geschrieben.«
    »Dafür werden Sie gehen«, hatte Teuter gesagt und war verschwunden.
    Mitten im Lehrerzimmer stand er nun und stützte beide Hände auf die Tischkante. Draußen neigte sich ein Wintertag seinem Ende zu. Der angekündigte Kinofilm hatte sich als schlechter Werbespot für ein unbekanntes Produkt erwiesen, man war enttäuscht. Höfi und Smutek warfen einander Blicke zu, der erste verärgert, der zweite triumphierend. Siehst du, nur heiße Luft! - Teuters ziellose Wut ist gefährlicher als jeder gerechte Zorn. - Schließlich runzelte Höfi die Brauen und griff so heftig in die Diskussion ein, als spränge er mit fuchtelnden Armen aus dem Gebüsch, um die Aufmerksamkeit einer ausgebrochenen Bestie auf sich zu lenken.
    »Herr Direktor«, rief er, »womit verschwenden Sie unsere Zeit? Lesen Sie das Buch. LaVey ist ein Zirkusclown, das müsste Ihnen gefallen!«
    Es wurde gemurmelt, geseufzt, protestierend gezischt.
    »Ja nee, Sie halten den Kampf gegen Satanismus an unserer Schule für Zeitverschwendung?«
    Höfi lachte kurz und trocken auf, ohne zu diesem Zweck seine eingesunkene Körperhaltung zu ändern.
    »Das ist kein theologisches Seminar, sondern eine Disziplinar-konferenz. Was liegt vor?«
    In diesem Tonfall ging es eine halbe Stunde lang weiter.
    Teuter erhielt Unterstützung von zwei Lehrern, die dafür bekannt waren, unter dem mangelnden Respekt ihrer Schüler wie unter ständiger Geldnot zu leiden. Ein paar enthielten sich, der Rest stimmte gegen den Antrag. Die Konferenz ging in eisigem Schweigen auseinander.
    Odetta fand Alevs Zimmer verdunkelt. Er und Ada lagen in verschiedenen Ecken des Raums wie Betrunkene unter einer Brücke. Alev sprang auf die Füße und schaltete das Licht an. Adas Augen waren gerötet. Der dicke Toni, mit dem Alev sich das Zimmer zu teilen hatte, war nicht da.
    »Fass das Ergebnis in einem Satz zusammen«, sagte Alev.
    »Teuter will sie unbedingt weghaben, aber das wird schwierig. Sie hat Freunde.«
    Ada stand auf, um hinauszusehen. Draußen senkte sich Dunkelheit, rot leuchtend stand Mars als einer der Ersten am Himmel. Sie presste die Stirn an die Scheibe, um sechs Stockwerke hinunter auf den leeren Schulhof sehen zu können. So groß der Planet auch sein mochte, Bedeutung hatte nur, was einen im jeweiligen Moment umgab. Ihre Stiefel lagen überein-andergefallen in der Nähe der Zimmertür, die Jacke hing über der Lehne von Alevs Stuhl, irgendwo war auch ihr Rucksack, wahrscheinlich auf dem Bett. Damit wohnte sie beinahe hier. Mehr Gutes konnte das Leben für sie nicht bereithalten, mehr wollte sie nicht. Alev und Odetta standen zusammen am Schreibtisch, dass ihr herabfallendes Haar die Seite seines Gesichts berührte. Das war wunderschön anzusehen, ein schwarz-blondes Elfenpaar. Alev fragte nach Smutek, immer wieder Smutek. Was hat er gesagt und wie geguckt? Macht er sich Sorgen um sie? Hat er Angst? Ein schlechtes Gewissen? Konzentrier dich, es ist wichtig.
    Odetta war viel größer als er. Sie wusste nichts zu berichten. Als er ihr in den Nacken griff und zudrückte mit seinen langen Fingernägeln, gab sie einen entzückten Schmerzenslaut von sich. Hab ich dir nicht gesagt, du sollst auf Smutek achten, nur auf Smutek! Dummes Ding. Odettas Lippen standen halb offen, als erwarteten sie, geküsst zu werden. Aber Alev wandte sich Ada zu und hob die Lefzen zu einem breiten Grinsen. Hätte besser laufen können. Was soll's.
    »Beschissene Show«, sagte Ada. »Verdammt überflüssige, beschissene Show.«
    »Kleinchen«, sagte er, »immerhin war das der dritte Teil der Prophezeiung.«
    Ada zuckte die Achseln, während sie unter gesenkten Augenlidern die angenehm kühle, langknochige Odetta betrachtete.
    »So what?«, fragte sie.
    Auf Alevs Gesicht malte die Wut eine Maske übertriebener Freundlichkeit. Er trat vor Ada hin und fasste sie am Kragen ihres Pullovers.
    »Du«, sagte er, »solltest dein Hirn gebrauchen und Geduld üben, während ich die Spielvorbereitungen treffe. Es gibt nur eine Person, die Figuren aufs Brett stellt. Das bin ich. Also warte ab und halt die Klappe. Mehr«, plötzlich erhob er die Stimme ohne Rücksicht darauf, ob man ihn durch die Wände hören konnte, » mehr will ich nicht von dir.«
    Ada suchte ihre Schuhe, zog die Jacke an, fand den Rucksack auf dem

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