Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
mir die Kischte mit den Akten ab. Dann könne’ wir die in Ruhe durchsehe’«, fiel der junge Mann unversehens wieder ins Badische.
Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, kritisierte Nachtigall stirnrunzelnd: »Schaber passt nicht rein. Er kannte Keiser, aber Kowalski eher nicht.« Er trat einen Schritt zurück, ließ die Pfeile und Ovale auf sich wirken. Doch es war zwecklos. Sie machten keinerlei Anstalten, sich in einer sinnstiftenden Aktion zu einem logischen Ganzen zu gruppieren. Rasch warf er einen Blick zu seinem Dresdner Kollegen hinüber. Doch dessen angestrengt ratlose Miene enthüllte, dass es ihm ebenso wenig gelang, Ordnung in ihre Schlussfolgerungen zu bringen.
»Es passt noch nicht.«
»Nein, irgendetwas fehlt. Wir haben noch nicht den richtigen Namen fürs Zentrum gefunden. Wir haben etwas übersehen«, bestätigte Nachtigall gallig.
Es klopfte. Nur einmal, laut, fordernd und unfreundlich. Bevor noch einer der beiden Ermittler ›Herein!‹ rufen konnte, wurde die Tür energisch aufgestoßen. Dr. März.
»Aha. Bei der Arbeit. Immerhin«, begrüßte er die beiden Ermittler und die Temperatur fiel trotz der sommerlichen Temperaturen draußen auf gefühlte Minusgerade. »Ich vermisse Herrn Wiener. Oder löst er den Fall allein, während Sie hier Löcher ins Papier starren?«
Nachtigall registrierte die verkrampfte Körperhaltung des Staatsanwalts. Ein Bündel unterdrückter Wut. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Arbeit alleiniger Auslöser dafür sein sollte. Der Ermittler bemühte sich um einen sachlichen Tonfall für seine Antwort. »Herr Wiener holt die Patientenkartei aus der Praxis Kowalski«, erklärte er und bemerkte, dass eine gewisse Gereiztheit doch noch zu hören war. »Wir suchen nach dem Bindeglied.«
»Aber – tun Sie das nicht schon seit Tagen? Ein Mordopfer nach dem anderen, und die Mordkommission sieht tatenlos zu! Und wer steht im Fokus der Medien? Sie etwa? Nein. Mich ruft man an. Sie machen sich keine Vorstellung von dem, was sich in meinem Büro abspielt. Man ist an höchster Stelle besorgt, was den Fahndungserfolg angeht! Das ist mehr als peinlich, meine Herren!«
»Wir vermuten eine Verbindung zum Sport. Dem Frauenfußball speziell. Aber das jüngste Opfer passt nicht«, erklärte Mangold.
»Passt nicht?«, polterte Dr. März los, der bisher wenigstens noch seine Lautstärke unter Kontrolle gehabt hatte. »Passt nicht? Wissen Sie, was mir nicht passt? Vier Mordopfer, von denen eines noch nicht einmal identifiziert werden konnte. Wir arbeiten an diesem Fall länderübergreifend – und das Ergebnis ist gleich null. Ich musste heute Morgen schon der Presse Rede und Antwort stehen. Von Unfähigkeit ist da gesprochen worden. Wenn die auch noch Wind von den Übergriffen des Kollegen Mangold bekommen, wird zur Hetzjagd geblasen. Lang decke ich diese Ermittlergruppe nicht mehr! Besser für uns alle, Sie können den Täter schnellstmöglich präsentieren.«
Dr. März wandte sich dem Flipchart zu. »Ist das alles, was Ihnen einfällt?«, erkundigte er sich sarkastisch.
»Wir suchen nach Verbindungen.«
»Verbindungen, aha.« Die Stimme des Staatsanwalts klang heiser. »Da läuft ein Psychopath durch unsere Straßen und Sie suchen noch immer nach Verbindungen? Soll das bedeuten, es gäbe in diesem Fall zwischen Opfer und Täter keine Beziehung? Haben Sie die Zettel vergessen? Nein, Herr Nachtigall, Sie sollten sich wirklich sputen.«
»Vielleicht ist es gar kein Psychopath.« Michael Wiener war von allen unbemerkt eingetreten.
Der Staatsanwalt wirbelte herum. »Wie bitte?«
»Es könnt’ ja sei’, dass er einen echte’ Grund hat. Sie verstehe’ schon, kein g’fühltes, sondern ein wahres Motiv. Ebe’ eins mit Subschtanz.«
Sprachlos fixierte Dr. März den Kommissar. Dann fand er seine Worte wieder »Wollen Sie damit andeuten, Sie hätten selbst das noch nicht ausreichend überprüft?«
»Nun«, meldete sich Nachtigall zu Wort, »das Problem besteht darin, herauszufinden, was den Mord an Keiser mit den aktuellen Fällen verbindet. Eine kollektive Vergewaltigung zum Beispiel. Wir sind nicht untätig!«
»Sehr schade, dass Herr Couvier zurzeit an einen anderen Auftrag gebunden ist«, schnitt Dr. März ihm das Wort ab. »Da müssen Sie selbst kombinieren – und das scheint ungeahnte Schwierigkeiten zu bereiten. Wenn Sie nicht wollen …« Der Rest blieb ungesagt als Drohung im Raum hängen. Zur Überraschung aller schloss Dr. März die Tür leise
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