Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
wird’s kaum sein. Bei der Festbeleuchtung, die wir eingeschaltet haben, müsste er schon unbedingte Sehnsucht nach dem Knast haben«, flüsterte Wiener angespannt.
Mit einer letzten Verwünschung trat Dr. März zwischen den Bäumen hervor.
Gereizt zupfte er sich einige Waldreste von seinem Sommersakko und sah sich suchend nach seinen ermittelnden Beamten um. »Ah! Da sind Sie ja. Warum diese Mörder auch immer so unzugängliche Stellen wählen müssen«, polterte der Staatsanwalt unfreundlich und eilte auf die Gruppe zu.
Er warf einen flüchtigen Blick auf den Körper des Opfers und fragte barsch: »Derselbe Täter?«
»Sieht ganz danach aus. In diesem Fall hat er keine Holzlatte verwendet, um die Arme in der von ihm gewünschten Position zu fixieren – aber das brauchte er auch nicht. Die Seile haben diesen Zweck erfüllt. Auf den ersten Blick sehen diese Tauenden aus wie die, die der Täter beim Mord an Schaber verwendet hat«, fasste Nachtigall zusammen.
»Obduktion können Sie wann durchführen?«
»Gleich morgen«, antwortete Dr. Pankratz, in dessen Gesicht es heftig zuckte. Autoritäres Gehabe löste bei ihm immer einen kaum zu bändigenden Lachreiz aus.
»Gut. Hören Sie, Herr Nachtigall, wir stellen alle Leute zur Verfügung, die Sie benötigen. Wie Sie sich vorstellen können, ist man an anderer Stelle extrem beunruhigt über die Entwicklung. Man fürchtet um die Sicherheit der Teams bei der WM. Schauen Sie, dass Sie den Fall fix abgeschlossen bekommen – die sächsischen Kollegen werden Sie selbstverständlich ebenfalls unterstützen.«
»Dr. März, wir hätten den Täter auch gern schon im Büro«, entfuhr es Peter Nachtigall unbedacht.
Der Angesprochene zog die Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammen und eine tiefe, steile Falte entstand, die ihm etwas Satyrhaftes verlieh. »Ich verstehe, dass Sie durch die Erkrankung des Kollegen Skorubski belastet werden. Sollte sich das auf Ihre Arbeitsfähigkeit auswirken, ziehe ich Sie ab«, schnaufte der Staatsanwalt zornig. »Mann! Wir sehen uns morgen in meinem Büro, ich wünsche, auf dem Laufenden gehalten zu werden. Pressekonferenz um zwölf Uhr«, knurrte er und drehte sich nach einem letzten Blick auf die durch Verwesung entstellte Frauenleiche um und verschwand unter empörtem Zetern wieder in Richtung Weg.
»Du liebe Güte«, lachte der Rechtsmediziner befreit auf. »Ob er am Ende gar nicht weiß, wie lächerlich diese Auftritte sind?«
»Wahrscheinlich nicht. Es gibt keinen, der ihm das sagen möchte«, stellte Nachtigall lapidar fest.
»Die junge Frau ist meine erste Patientin gleich morgen früh. Braucht ihr sie noch – sonst würden wir sie jetzt einpacken.«
Der Hauptkommissar nickte. Trat einige Schritte zur Seite, um zwei Herren mit Leichensack und Zinksarg Platz zu machen. Dr. Pankratz überwachte das Bergen der Toten und gab knappe Anweisungen, bückte sich allerdings immer wieder pfeilschnell und fing ein Krabbeltier ein, das sich unter dem Körper versteckt gehalten hatte.
»Kommt dir das Gesicht von einem der Fotos her bekannt vor?«, wollte Nachtigall von Wiener wissen.
»Ha!«, antwortete der nur und schluckte schwer.
Dieses Gesicht hätten nicht einmal mehr die Eltern erkannt.
In der Gesäßtasche des Hauptkommissars brummte das Handy. Eine SMS.
Er öffnete die Mitteilung, las die wenigen Worte und schob das Mobiltelefon mit starrer Miene zurück. Warum nur war der Mensch oft so hilflos, wo er am dringendsten gebraucht wurde?, haderte er mit sich und seinem unruhig pochenden Gewissen.
»Das Gift ist drin. Sterben werde ich wohl nicht, fühlt sich aber so an. Keinen Besuch«, hatte Albrecht geschrieben. Und gerade jetzt blieb ihm so wenig Zeit, sich um den Freund zu kümmern!
»Es ist doch nicht zu glauben. Drei Opfer, das vierte wird vielleicht schon beobachtet und wir können noch nicht einmal eine gemeinschaftliche Vergewaltigung ausschließen! Es hat schon Fälle gegeben, in denen Männer und Frauen als gemischtes Team Frauen überfallen und sexuell missbraucht haben. Und gemordet«, knirschte Nachtigall zwischen den Zähnen.
»Karla Homolka und Paul Bernardo! Ja, das war ein echt gefährliches Pärchen!«, bestätigte Wiener und das hörte sich durchaus ein wenig nach Begeisterung an, entschied der Hauptkommissar und warf dem jungen Kollegen einen missbilligenden Blick zu.
»Die jungen Mädchen schöpften überhaupt keinen Verdacht, weil ja eine Frau mit dabei war. Arglos stiegen sie ins Auto.
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