Spielzeugsoldaten
das Tosen des Regens wurde durch das dichte Blätterdach nur noch lauter. Jeder Tropfen löste ein donnerndes Grollen aus. Der Lastwagen quälte sich durch Schlamm und Wasser und schwankte von Zeit zu Zeit bedrohlich, manchmal kratzten Äste von außen an der Plane.
Raku war unruhig geworden. Sie war erst einmal während ihrer Dienstzeit in Lyddit gewesen, doch der Weg kam ihr ungewöhnlich lang vor. Es wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wenn sie aufgrund des Wetters einen Umweg hätten fahren müssen, denn während der Regenzeit waren die meisten, oft nur behelfsmäßig angelegten Straßen durch den Wald mit einem großen Lastwagen kaum befahrbar. Jedoch hätte der Fahrer sie über jede Änderung in ihrer Route sofort informieren müssen. Vielleicht fuhr er n ur ausgesprochen langsam. S ie warf einen Blick durch das kleine Fenster zum Führerhaus nach vorn. Die Straße war kaum passierbar, sie kamen nur schleppend voran.
Was ist das? Im Dickicht des Waldes vor ihnen, zuckten kleine Lichtblitze . Raku zögerte keinen Augenblick.
„Raus hier! Raus hier! Alle raus hier! Sofort!“
Keiner der Soldaten der Einheit z auderte. A lle griffen, was ihnen in die Hände fiel, und sprang en aus dem fahrenden Lastwagen. Julis Reflexe waren nicht schnell genug, erst als Raku sie packte und von der Ladefläche stieß, begriff sie den Ernst dessen , was gerade geschah. Sie landete bäuchlings im Schlamm, während die Männer vor ihr bereits ins Unterholz rannten und nach Deckung suchten. Der dunkle Morast drang in ihre Stiefel und ihre Hände suchten nach Halt um aufzustehen, doch Raku war wieder an ihrer Seite, griff sie im Nacken an ihrer schusssicheren Weste und zerrte sie hektisch ins Gebüsch am Straßenrand.
Dann war es bereits zu spät. Sie hörten die Salven eines Feldgeschützes, das Raku von Ferne erahnt hatte und während Raku sich als L etzte ins Dunkel des Dickichts warf, trafen mehrere Salven gleichzeitig den Lastwagen. Sie durchschlugen das Führerhaus, die Plane und auch den Motorblock. Eine Explosion ließ den Boden unter ihnen erzittern und die Druckwelle riss Juli, die neben Raku gekniet hatte , nieder. Sie konnte nicht schnell genug denken, nicht schnell genug reagieren. S ie hatte nicht einmal Gelegenheit für Angst, denn Raku hatte sie schon wieder gepackt und zerrte sie mit sich... tiefer in den Wald. Die Einheit reagierte eingespielt und wie im Schlaf auf Rakus Handzeichen und bewegte sich zielstrebig weiter ins Dunkel.
„Wir müssen hier weg. Sie werden nach Überlebenden suchen“ , erklärte Raku leise und war sich selbst nicht sicher, was sie damit bezweckte, denn Juli hatte bestimmt noch nichts begriffen .
„Der Fahrer?“ Juli konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er war tot?
Sie lief. Nur laufen. Nicht denken. Nicht denken.
Nach einigen Minuten Marsch wurden sie langsamer, vor ihnen war das Unterholz dichter geworden und die Bäume standen enger. An einer Stelle mit vielen Verwerfungen kamen sie zusammen. Vier Soldaten postierten sich automatisch in alle Himmelsrichtungen, während der Rest der Einheit sich zwischen ihnen versammelte.
Juli konnte kaum a tmen. Das Gelände war unwegsam, das Tempo hoch. Ihre Lungen schmerzten, konnten nicht genug a tmen, um der ungewohnten Anstrengung zu genügen.
„Exine, Status.“ Raku wandte sich ihrer Truppe zu.
„20 Mann, ein Journalist, keine Verletzten. Fahrer vermutlich tot.“
„Serro?“
„Feldgeschütz, vermutlich P174 , Panzersprenggeschoss.“
„Hatte irgendjemand Sichtkontakt?“
Sie bekam keine Antwort, was wohl ‚nein’ bedeutete. Raku überlegte einen Moment. Es war unmöglich, dass die Armee von Omina so tief in ihr Land eingedrungen war. Sie musste n noch weit vor Lyddit sein. A ndererseits: Sie hatte keine Ahnung , wo sie tatsächlich war en. Es hatte bereits begonnen.
„ Mirza , bestimm unsere Position so gut es geht. Exine, versuch unseren Kontakt in Lyddit zu erreichen. Serro und Ben, seht euch die Gegend an. Der Rest überprüft die Ausrüstung, die wir noch haben.“
Als sie das Gefühl hatte die Situation ansatzweise unter Kontrolle zu haben, blickte sie um sich. W o war Juli? Raku entdeckte sie am Boden, sie war neben einer der Verwerfungen in sich zusammengesackt und starrte mit offenen Augen in den Himmel, ihre Hände klammerten sich panisch an die Waffe in ihrer Hand. Kein klarer Gedanken s chaffte es in ihren Kopf. E s war , als wäre ihre Vorstel lungskraft nicht groß genug. S ie hatte nicht einmal Kraft
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