Spielzeugsoldaten
erk lären. Sie wusste was sie tat. S ie hatte es schon einmal getan.
~*~
Die Nacht war still, beinahe friedlich. Raku wusste noch immer nicht, wie weit sie sich vom eigentlichen Kampfgeschehen und von Lyddit entfernt hatten. Noch weniger wusste sie, wo genau im Moment die Front im Osten verlief. Dies war ein Gebiet in dem teilweise nicht mal die Regierung noch wusste, wo die Grenzen verliefen. Das E inzige, das sie sicher wussten, war die Lage der Grenzen zu Geison am Fuß der Gebirge. Raku saß dicht neben Juli. Es hatte nicht lange gedauert, bis sie verstummt und eingeschlafen war. Ab und zu blickte Raku neben sich, beobachtete Juli einen Augenblick, um sich zu versichern, dass es ihr gut ging. Die tiefe Wunde am Oberarm hatte aufgehört zu bluten. Juli hatte nicht mehr über Schmerzen geklagt, aber Raku vermutete, dass sie einfach zu müde war, um sich noch mit so Belanglosigkeiten wie Schmerz zu befassen. Ziellos wanderte Rakus Blick über die Landschaft, die Bäume, den Fluss. Das dämmerige Mondlicht hatte die Welt in ein farbloses Grau getaucht. Der Himmel war klar und es hatte bereits seit einigen Stunden nicht mehr geregnet. Raku hoffte inständig, dass sie ab nun Glück haben wür den: Keine Kämpfe, kein Regen. Ihre Augen suchten die Umgebung immer und immer wieder nach Anzeichen von anderen Menschen ab. Vielleicht war hier doch Militär stationiert oder vielleicht waren die Omina bis hier hin vorgedrungen. Sie wusste es einfach nicht und diese Unsicherheit machte sie schier wahnsinnig. Sie hatte immer die Kontrolle, egal in welcher Situation sie sich befand. Jetzt nach all den Ereignissen, die sie nicht geahnt oder hätte verhindern können, fühlte sie sich ungewöhnlich schwach und verletzlich. Ihr einziger Halt, der einzige Grund für ihre Kraft war Juli geworden. Ihr eigenes Leben war ohnehin schon verpfuscht. Für Juli war noch nichts zu spät, für Juli waren das hier nur ein paar schlechte Tage in ihrem ansonsten perfekten Leben. Und diese Tatsache wollte sie erhalten, dass sie dabei auch ihren eigenen Kopf rettete, in dem sie desertierte, war eine positive Beigabe. Sie blickte erneut hinunter zu Juli, deren Schlaf ganz offensichtlich tief und fest war.
So friedlich, schoss es ihr durch den Kopf. Wie sollte sie all diese Gedanken verstehen? Irgendet was drängte in ihr nach Gehör. I rgendetwas, das sich bisher versteckt hatte. Es war mit nichts zu vergleichen, was sie bisher erlebt hatte. Sie war wahrlic h kein Kostverächter gewesen. S ie hielt sich nicht für schön, aber a ndere schienen das zu denken. Männer wie Frauen lagen ihr zu Füßen. Diese Ausstrahlung von Macht und Stolz, gepaart mit einem Schuss militärischer Verwegenheit, schien sie unwiderstehlich zu machen. Sie wusste das, sie hatte es oft genug ausgenutzt, aber wenn sie es genau betrachtete, dann war all dies immer nur geschehen, weil sie ihre eigenen primitiven Bedürfnisse befriedigt wissen wollte. Sie hatte nicht einem dieser Menschen ein Gefühl entgegen gebracht, das auch nur entfernt an Liebe erinnerte. Sie waren Mittel zum Zweck. Wenn sie darüber nachdachte, dann konnte sie ausschließen, dass Juli sie auf diese Art und Weise interessierte. Es wäre eine Erklärung gewesen, die sie beruhigt hätte. Aber so war es nicht! Doch was war es dann? Sie konnte auch kaum mehr behaupten, dass sie einfach nur Schuldgefühle hatte. Dass sie an Juli wieder gut machen wollte, was sie bei all denen, die unter ihrem Kommando gefallen waren, nicht hatte tun können. Es war mehr und je stärker sie versuchte es zu unterdrücken, desto mehr schmerzte es sie, desto hartnäckiger wurden ihre Gedanken. Sie wusste nichts über Juli, zumindest nichts über das hinaus, was in der Akte stand . Nichts Persönliches. Wie viel hatten sie schon miteinander gesprochen? Sie waren Fremde, die der Krieg zufällig zusammen gebracht hatte. Und doch hatte sie das Gefühl, sie würden sich schon immer kennen, als wäre Juli immer da gewesen. Raku verspürte auch gar keinen Drang danach, mehr über Juli zu erfahren: Sie hatte das Gefühl bereits ohnehin alles zu wissen.
Raku fühlte dieselben Träume kommen, wie schon in den Nächten zu vor. Ihre Anziehungskraft war magisch, trotz all ihrer Grausamkeit. Sie sah kei n Blut, keinen Tod, nichts dergleichen und dennoch spürte sie solches Leid und solchen Verlust, dass es ihr die Kehle zuschnürte, kaum schloss sie die Augen. Juli? Je stärker sie die Erinnerungen quälten, desto stärker wurde
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