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Spin

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Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
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sachlich motiviert.
    »Spielt es eine Rolle«, fragte Molly, »ob sie Recht haben oder nicht? Das Entscheidende ist doch, wie sie uns behandeln. Plötzlich ist es möglich, dass ein großes Presseerzeugnis sich auf Perihelion einschießt.«
    An anderer Stelle in der gleichen Ausgabe wurde das Mars-Projekt als »die größte und sinnloseste Verschwendung aller Zeiten« charakterisiert, »bezahlt nicht nur mit unvorstellbar viel Geld, sondern auch mit Menschenleben, ein Zeugnis der menschlichen Fähigkeit, aus einer globalen Katastrophe Profit zu schlagen.«
    Der Autor des Kommentars war Redenschreiber für die Christian Conservative Party. »Dieses Schmierblatt gehört der CCP, Molly. Das weiß doch jeder.«
    »Die wollen unseren Laden dichtmachen.«
    »Das wird ihnen aber nicht gelingen. Selbst wenn Lomax die Wahl verliert. Selbst wenn sie uns auf Beobachtungsmissionen zurückstutzen – wir sind das einzige Auge, das die Nation auf den Spin werfen kann.«
    »Was nicht bedeutet, dass wir nicht alle gefeuert und ersetzt werden könnten.«
    »So dramatisch ist es nicht.«
    Sie schien nicht überzeugt.
    Ich hatte Molly als Sprechstundenhilfe von Dr. Koenig geerbt. Fast fünf Jahre lang war sie ein höflicher, tüchtiger und effizienter Bestandteil des Praxismobiliars gewesen. Unsere Unterhaltung war nicht über den üblichen Austausch freundlicher Floskeln hinausgegangen, wobei ich immerhin erfahren hatte, dass sie allein lebte, drei Jahre jünger war als ich und in einem vom Meer abgewandten Appartement in einem Haus ohne Aufzug wohnte. Da sie auf mich keinen besonders gesprächigen Eindruck machte, hatte ich angenommen, dass dieses höflich distanzierte Verhältnis in ihrem Sinne war.
    Dann, an einem Donnerstagabend vor knapp einem Monat, hatte Molly, während sie ihre Sachen zusammenpackte, sich mir plötzlich zugewandt und mich gefragt, ob ich mit ihr zu Abend essen wolle. Warum? »Weil ich keine Lust mehr habe zu warten, dass Sie mich mal fragen. Also, ja oder nein?«
    Ja.
    Molly erwies sich als eine kluge, verschmitzte und zu Spott aufgelegte Frau, kurzum, eine angenehmere Gesellschaft, als ich gedacht hatte. Seit drei Wochen aßen wir jetzt zusammen im Champs. Uns gefiel die Speisekarte (unprätenziös) und die Atmosphäre (kollegial). Ich dachte oft, dass Molly wirklich am allerbesten in dieser Kunststofftischecke im Champs zur Geltung kam, die sie mit ihrer Anwesenheit schmückte, ja der sie sogar eine gewisse Würde verlieh. Ihr blondes Haar war lang und hing etwas schlaff in der hohen Luftfeuchtigkeit des Abends.
    »Hast du die Hintergrundinfo zu dem Artikel gelesen?«, fragte sie.
    »Überflogen.« In einem Hintergrundporträt hatte die Zeitschrift Jasons beruflichen Erfolg einem Privatleben gegenübergestellt, das sich entweder vollkommen im Verborgenen abspielte oder gar nicht existierte. Bekannte sagen, seine Wohnung sei ebenso karg eingerichtet wie sein Liebesleben. Niemals hat es auch nur Gerüchte gegeben über eine Verlobte, Freundin oder sonst eine intime Bekanntschaft, welchen Geschlechts auch immer. Es drängt sich unvermeidlich das Bild eines Mannes auf, der mit seinen Ideen nicht nur verheiratet, sondern ihnen auf fast pathologische Weise ergeben ist. Und in vielerlei Hinsicht bleibt Jason Lawton, wie die Perihelion-Stiftung insgesamt, unter dem erdrückenden Einfluss seines Vaters…
    »Wenigstens dieser Teil klingt korrekt.«
    »Findest du? Zugegeben, Jason kann manchmal ein bisschen selbstbezogen wirken, aber…«
    »Er geht durch die Rezeption, als würde ich gar nicht existieren. Sicher, das ist trivial, aber es zeugt nicht gerade von großer Wärme. Wie läuft seine Behandlung?«
    »Er ist nicht in Behandlung, Moll.« Sie hatte zwar Jasons Krankenblätter gesehen, aber ich hatte dort keine Einträge über seine AMS gemacht. »Er kommt, um sich zu unterhalten.«
    »Aha. Und manchmal, wenn er reinkommt, um sich zu unterhalten, humpelt er zum Gotterbarmen. Nein, du brauchst nichts zu sagen. Aber ich bin nicht blind – nur zu deiner Information. Wie auch immer, er ist gerade in Washington, stimmt’s?«
    Häufiger dort als in Florida. »Jede Menge Gespräche zu führen. Alle Welt positioniert sich für die Zeit nach der Wahl.«
    »Da läuft also irgendetwas.«
    »Irgendetwas läuft immer.«
    »Ich meine, mit Perihelion. Die Kollegen von der Technischen Abteilung haben einige Hinweise. Weißt du, was zum Beispiel seltsam ist? Wir haben gerade noch mal wieder 50 Hektar Fläche westlich vom Zaun

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