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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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Polizisten ausgewiesen?«
    »Nein, nein, sie haben, irgendjemand hat mir einen Ausweis gezeigt. Sie haben mir keine Auskunft gegeben, sie haben uns keinerlei Auskunft gegeben. Tut mir leid, tut mir leid, sie haben ihre Sachen alle mitgenommen, leider. Ihre Sachen und die Sachen von Harry und Christoph. Ihre Garage ist auch geräumt worden, vollkommen leer, die beiden Garagen, weiß nicht, warum, aber sie haben nur ihre beiden Garagen geräumt, die…«
    Ein Mann mit einer kleinen missglückten Promenadenmischung an der Leine, die aber für das Prominieren in Neukölln noch allemal geeignet war, hatte sich unauffällig an die beiden herangemacht und mischte sich jetzt plötzlich in das Gespräch ein. »Aber sie sind doch der Hausmeister. Sie müssen doch auf die Sachen ihrer Mieter aufpassen. Es ist ihre Aufgabe als Hausverwalter auf die Sachen ihrer Mieter aufzupassen. Und das haben Sie nicht gemacht. Sie sind kein guter Hausmeister! Da sind sie kein guter Hausmeister!«
    Der Sohn des Verwalters fiel ob dieser Beschuldigung in noch tiefere Verzweiflung und verlor vollends die Fassung. »Aber ich, ich, ich kann doch nicht, ich habe doch nichts tun können …«
    Die Verzweiflung von Hahning junior rührte den Hundeführer nicht im Geringsten. Er schlug mit vorwurfsvoller Stimme noch mal in die gleiche Kerbe. »Wenn Sie ein guter Hausmeister sein wollen, müssen Sie auf die Sachen Ihrer Mieter aufpassen!«
    Das saß. Hahning der Jüngere war fast den Tränen nahe und zitterte. Sarah mischte sich ein und fragte mit beruhigender Stimme: »Haben Sie sich denn nicht erkundigt, wo die Sachen hingebracht werden?«
    Noch ehe Hahning junior antworten konnte, legte der Hundeführer nach. »Vollkommen richtig! Sie hätten sich zumindest erkundigen müssen, wo die Sachen hingebracht werden, zumindest! Aber eigentlich hätten Sie die Sachen nicht aus der Hand geben dürfen!«
    Der junge Hahning war jetzt völlig demoralisiert und fing noch stärker an zu stottern. »Tut mir leid, Frau Sarah, tut mir sehr Leid, Fräulein Sarah, aber, aber wir konnten nichts tun, ich konnte nichts tun, mein Vater war auch hier, wir konnten beide nichts tun. Sie haben uns einfach ignoriert, sie haben die Sachen einfach genommen und sind damit weg, ohne eine Begründung, ohne jede Begründung.«
    Sarah war verärgert. Diese Obrigkeitsgläubigkeit machte sie wütend. Sie trat mit dem Schuh gegen das Garagentor und schrie: »Verflucht, verfluchte Scheiße! Warum haben Sie das zugelassen, verdammt noch mal!« Damit ließ sie den verdutzten Hahning junior stehen und verließ im Laufschritt das Parkhaus.

* * *
    Die Zeit im Parkhaus war damit vorbei. Sarah war klar, dass sie dort nicht mehr wohnen konnte. Das war zu gefährlich, und außerdem hätte sie eine komplett neue Einrichtung gebraucht. Sie musste unbedingt schnell eine bezahlbare Wohnung finden. Nach Möglichkeit eine, die zumindest teilweise möbliert war. Da sie keinen Job hatte und von ein paar Hundert Euro leben musste, die ihr ihre Mutter jeden Monat aufs Konto legte, konnte sie nicht allzu viel für die Miete ausgeben. Und Wohnungen waren auch in Berlin nicht mehr ganz billig zu haben. Vor allem, wenn man in einem der inneren Stadtbezirke leben wollte. Also lief alles auf eine Wohngemeinschaft mit anderen Studenten hinaus. Aber das war heikel. Auf die Schnelle ließ sich da kaum etwas Passendes finden. Deshalb beschloss Sarah, erst mal eine Bleibe für eine Übergangszeit von zwei, drei Monaten zu suchen, und wühlte sich durch die Angebote der Mitwohn-Zentralen im Internet. Dabei wurde ihr schnell klar, dass das auch bedeutete, dass sie eine Kaution hinterlegen und eine nicht unbeträchtliche Vermittlungsgebühr bezahlen musste. In ihrer jetzigen Situation war das unmöglich. Und sie hatte keine Lust, ihre Mutter um zusätzliches Geld anzubetteln. Deshalb suchte sie nach einer Alternative.
    Von der S-Bahn aus war ihr vor ein paar Tagen auf einem der zahlreichen Plattenbauten in Friedrichshain ein weithin sichtbares Transparent aufgefallen: »Zimmer zu vermieten, 4 Euro pro Tag.« Vier mal dreißig, also 120 € im Monat, das war kein schlechter Preis. Auch wenn es sich dabei um ein Zimmer in einer Mehr-Raum-Wohnung handelte, der Preis war trotzdem noch okay.
    Sie fuhr nach Friedrichshain und machte sich auf die Suche nach dem Plakat. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie es wieder gefunden hatte. Die Telefonnummer der Wohnungsgesellschaft prangte weithin sichtbar auf dem Transparent. Sie

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