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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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an kein einziges dieser Systeme erinnern, das nicht widerlich gestunken hätte.
    Die Wohnung, um die es ging, lag in der hintersten Ecke des Gangs auf der dritten Etage. Das matte Dunkelgrün der Eingangstür erinnerte an eine Gefängniszelle. Vom schmalen Flur aus erreichte man drei Zimmer, die nur sehr spärlich eingerichtet waren. Die Möbel wirkten überaus filigran, so als würden sie jeden Augenblick auseinanderbrechen. In keinem der Zimmer gab es eine funktionierende Deckenbeleuchtung. Nur in der Küche hing eine nackte Birne in einer schwarzen Plastikfassung von der frisch gestrichenen Decke. Auf dem Küchentisch lag eine Plastikdecke mit Blumenmuster.
    »Das ist, was ich Ihnen anbieten kann. Ein Zimmer in dieser Drei-Raum-Wohnung, gemeinsame Badbenutzung, vier Euro pro Tag, Strom und Heizung extra«, bemerkte der Vertreter der Wohnungsgesellschaft im Stenogrammstil.
    Sarah sah sich um. Die Zimmer waren echt spartanisch. Die ganze Wohnung sah aus wie ein Museum, das seit Jahren geschlossen war, und sie roch auch so. Nur in einem einzigen Zimmer gab es ein einigermaßen angenehmes Licht. Eine alte Nachttischlampe mit einem großen Stoffschirm hatte sich hierher verirrt und spendete ein warmes, angenehmes Licht. In den anderen Zimmern gab es wie in der Küche nur nackte Glühbirnen. Unwahrscheinlich, dass diese Zimmer auf dem Wohnungsmarkt heiß begehrt waren. Auch die Gesichter der Mietinteressenten sprachen eine deutliche Sprache. Sarah war sich ziemlich sicher, dass keiner von ihnen sich hier einmieten würde. Also eigentlich eine gute Chance für sie. Denn wenn sie sich hier einmietete, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie die Wohnung für sich allein haben würde. Und irgendwie fand Sarah diese seltsame Wohnung sogar kuschelig. Sie strahlte einen heimeligen Hauch alte DDR aus, was Sarah irgendwie anmachte.

* * *
    Kommissar Weber konnte den Abteilungschef noch durch die geschlossene Tür toben hören. Er raste durch die Abteilung und legte jedem ungefragt die BZ auf den Tisch, die einen reißerischen Artikel über den Fall Jochen Jakowski und Webers heimliche Ermittlungen zu ihrer heutigen Titelstory gemacht hatte.
    Webers Alleingang im Fall Jakowski hatte der Chef noch einigermaßen weggesteckt. Sogar als Weber im Zuge seiner Ermittlungen selbst verhaftet worden war, hatte der Chef ihm kaum Vorwürfe gemacht. Wahrscheinlich, weil ihm der Vorfall die willkommene Gelegenheit bot, Weber in den Ruhestand abzuschieben. Aber dass die außerdienstlichen Ermittlungen des Kommissars es jetzt auf die Titelseiten der Boulevard-Presse geschafft hatten, verärgerte ihn zutiefst. Er hasste nichts mehr als negative Schlagzeilen und die damit verbundenen Folgen. Das würde jede Menge Ärger geben. Alle in der Abteilung fragten sich, wie der Journalist es geschafft hatte, an all die Details über Webers außerdienstliche Ermittlungen der letzten Wochen heranzukommen, und waren verärgert über die tendenziöse Berichterstattung. Irgendwo musste es eine undichte Stelle geben, die verdammt gut informiert war. Denn der Artikel enthielt nichts, was nicht stimmte.
    Kommissar Weber war anderer Meinung. Im gefiel der Artikel. Er hätte jeden einzelnen Satz unterschreiben können, einschließlich der gewagten Schlussfolgerungen und Anschuldigungen in Richtung Gene Design Technologies. Er hatte auch keinerlei Mitleid mit den Justiz- und Ermittlungsbehörden. Wenn es jetzt Ärger gab, dann war er berechtigt. Schließlich hatte man ihm bei seinen Ermittlungen mehr als nur einen Stein in den Weg gelegt.
    Als der Chef in sein Büro stürmte und ihm die Zeitung auf den Tisch knallte, hatte er Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken.
    »Schauen Sie sich das an, Weber! Jetzt ist die Kacke am dampfen! Die werden uns die Hölle heiß machen, wenn die das lesen bei Gene Design Technologies!«
    »Und? Wäre vielleicht ganz gut, wenn dadurch wieder etwas Schwung in die Ermittlungen kommt«, entgegnete Weber bewusst trocken.
    »Stecken Sie vielleicht selbst dahinter, Weber? Ich würde Ihnen das zutrauen! Das passt genau zu Ihrem Stil!«
    Der Chef tippte wiederholt erregt mit dem gestreckten Zeigefinger auf die Zeitung. Weber überfolg den Artikel.
    »Katana Mord. Sind skrupellose Experimente schuld?«, lautete die fette Schlagzeile in roten Brandlettern. Der Artikel selbst fasste dann im Prinzip Webers Ermittlungsergebnisse zusammen und spitzte sie zu, indem er Gene Design Technologies vorwarf, bewusst die Gesundheit und das Leben von

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