Spinnefeind
ich mir mein eigenes kleines Programm, um meine Mails zu verschlüsseln.«
»Aber das wäre Kryptografie, nicht Kryptoanalyse, richtig?«
Anja war beeindruckt, wenngleich sie sich bemühte, es nicht zu deutlich zu zeigen.
»Falk hat uns von beidem etwas beigebracht. Aber die meiste Zeit haben wir Codes geknackt. Das ist eigentlich Mathematik, und ich habe Mathe-Leistungskurs, wie alle in der AG. Falk hat verschiedene Chiffrierungstechniken vorgestellt, und wir haben paarweise gearbeitet. Einer hat einen Code gestrickt, der andere hat ihn entwirrt. Das lief ganz gut, war aber schnell langweilig. Also hat Falk zu Hause Texte verschlüsselt, und wir mussten rausfinden, wie er das gemacht hat, und dann natürlich den Code entschlüsseln. Außerdem hat er viel über die Geschichte der Verschlüsselung erzählt und historische Chiffren mitgebracht. Es gibt alte Geheimtexte, die bislang nicht entschlüsselt sind. Falk hat super erklärt. Er hat Schritt für Schritt alles gezeigt, und wenn jemand einen Hänger hatte, wusste er genau,wo.«
Katinka musterte Anja abwartend. Es sollte nicht schaden, noch mehr auf die Tränendrüse zu drücken. Anja als einziges Mädchen in Falks geliebter Nachmittags-AG, hübsch außerdem.
»Falk war also ein guter Lehrer?«
»Der beste, den wir hatten!«
»Was wird aus dem Kryptokurs? Wer übernimmt den?«
»Die restlichen Stunden fallen aus. War sowieso freiwillig.«
Sie schien erschüttert, aber nicht über die Maßen traurig. Also war es nichts mit der heimlichen Schwärmerei für den tollen Lehrer, dachte Katinka.
»Kennst du Hannes näher?«
»Klar.«
»Wie ist der so?«
»Gut in der Schule, ein bisschen hyperaktiv vielleicht«, sagte Anja schließlich. »Ganz nett.«
»Habt ihr momentan Kontakt?«
Anja riss endlich den Blick von ihren Fingern los und sah Katinka direkt an.
»Niemand weiß, wo Hannes steckt.«
»Das glaubt euch aber keiner. Die Polizei auch nicht.«
Anja antwortete nicht.
»Hannes weiß etwas, das ihm gefährlich werden könnte, oder?« Katinka beschloss, lieber nicht darüber nachzudenken, was Hardo mit ihr machen würde, wenn er erfuhr, dass sie eine seiner Zeuginnen unter Druck setzte. Dass sie Vermutungen preisgab und damit unter Umständen die Ermittlungen der Polizei manipulierte.
»Was soll das denn sein?«, murmelte Anja.
»Du stellst ziemlich viele Gegenfragen.«
»…«
»Bist du 18?«
»Warum?«
»Ein Klick im Computer, und ich weiß es«, bluffte Katinka.
»Dazu haben Sie kein Recht.«
»Was ist das eigentlich für eine schräge Musik, die Valente mag? Gypsy-Music?«
Anja warf den Kopf in den Nacken.
»Das ›Bulgarian All Star Orchestra‹. Da stehen wir momentan total drauf. Die beleben die alte Dorfmusik vom Balkan, Bauerntänze und so. Aber ohne die Melodien zu verpoppen. Nichts von dem flachen Zeug, das unter ›Weltmusik‹ läuft.«
»Ihr kennt euch ziemlich gut, wie?«
»…«
»Hannes hat irgendwas rausgekriegt«, bohrte Katinka. »Ihr wisst es. Du und Valente. Und vielleicht noch andere aus der AG.«
Schulternzucken.
»Jan Schiffer etwa?«, kramte Katinka einen Namen aus ihrem Gedächtnis.
»Pfff, der doch nicht!« Kaum hatte sie es ausgesprochen, wurde Anja rot.
Katinka atmete erleichtert aus. Hier war das Eingangstor.
»Lukas?«
»Nein.«
»Andy?«
»Hören Sie doch auf! Niemand. Nur Hannes, Valente und ich.«
»Was wollte Hannes entschlüsseln?«
»Einen echten Text. Nichts, was Falk für uns zusammengebastelt hat. Nichts Didaktisches.«
»Sondern?«
»Das wissen wir nicht. Valente hat auch keine Ahnung«, gab Anja zu. »Schwimmen wir eine Runde?«
Sie zogen sich um und gingen zum Steg. Anja machte einen Kopfsprung in das braune Wasser. Angeberin, dachte Katinka, aber da kann ich auch mithalten. Sie schwammen nebeneinander her zum anderen Flussufer.
»Ich weiß nichts Genaues«, sagte Anja. »Wirklich nicht. Hannes ist beim Schulfest mal kurz verschwunden. Ich habe es nicht mitgekriegt, ich weiß es nur von Valente. Er kam zurück und prahlte, dass er was Tolles entdeckt hätte. In den Tagen danach wurde er plötzlich nervös. Beim Schulausflug verschwand er.«
»Wie habt ihr das geplant?«
»Wir haben das doch nicht gewusst.«
»Auch das glaubt euch keiner«, sagte Katinka.
Sie ließen sich ein Stück treiben.
»Ihr seid ein eingeschworenes Team, du, Valente und Hannes. Ein Trio, gute Freunde. Ihr wisst alles voneinander. Du weißt, welche Musik Valente mag, du weißt sogar, was es damit auf sich
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