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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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ihrem erhitzten Kopf noch mehr. Katinka blinzelte und sah zum Ufer hinüber, wo Hardo auf der Decke lag und las. Sie hatte ihn noch nie so entspannt gesehen. Vielleicht liegt es an mir, dachte sie und grinste vor Verlegenheit. Sie wollte sich nie mehr zu sicher sein, was Beziehungen anging. Sie wollte nicht mehr reinrasseln, sich Liebe einbilden, wo keine war. Aber hier war welche, eine ziemlich hohe Dosis sogar. Sie schwamm in die Mitte des Sees hinaus, genoss die Stille und den sanften Wind, der das Wasser kräuselte. Hier gab es keine Computer, keine Kameras, kein Internet. Womöglich würden in einigen Jahren wieder mehr Menschen in die Wälder ziehen, um der Technik und der Überwachung zu entkommen. Wo sonst war man als Privatperson noch unbeobachtet. Wann wagte man, sich frei von der Leber weg zu äußern, ohne dass man befürchten musste, politisch inkorrekt zu reden oder die Gefühle Andersdenkender zu verletzen, die daraufhin Gewaltexzesse vom Zaun brachen? Irgendwann fangen die Menschen an, sich ihre Gedanken im Kopf zurechtzuschneiden, dachte Katinka, während sie auf das Südufer zuschwamm. Das wird wie eine neue Form der Zensur sein, eine Gedankenschere, noch bevor etwas gesagt oder aufgeschrieben ist.
    Das Südufer war nun ganz nahe. Katinka wendete, um nicht in den Schilfgürtel zu geraten. Ständiges Misstrauen, dass die eigenen Äußerungen schräg interpretiert würden, immer und überall als Provokation gelten konnten, musste sich ungut auf die innere Beweglichkeit auswirken. Während ihre Arme und Beine den See durchpflügten, überlegte Katinka, welche Schutzmechanismen geeignet wären, um der allgegenwärtigen Kontrolle zu entgehen. Ein paar Minuten hielt sie sich an der Boje in der Seemitte fest. Die Strecke war doch länger, als sie gedacht hatte. Erste Wolkenschleier zogen über die Sonne. Plötzlich spürte Katinka die Kühle. Sie löste sich von der Boje und schwamm zurück. Genau auf Hardo zu. Er lag immer noch auf der Decke und las.
    Die Sonne kroch hinter die Wolkenwand. Letzte Strahlen ließen dünnes Licht auf den See rieseln. Der Wald im Norden, der den See gute hundert Meter breit von der Straße abschirmte, wurde mit einem Mal schwarz. Katinka legte einen Zahn zu. Jetzt war ihr kalt.
    Im Wald stand jemand. Nah am Ufer. Genau hinter Hardo. Katinka schaltete erst nicht. Sie machte einige Schwimmzüge, hielt inne und starrte geradeaus. Jemand wartete hinter den Bäumen. Ein Mensch in schwarzen Klamotten mit einer schwarzen Kapuze über dem Kopf. Reglos. Lauernd. Beobachtend. Katinkas Herz raste. Sie wollte rufen, schluckte Wasser und strampelte mit den Beinen, bis sie sich gefangen hatte. Die Gestalt machte eine Bewegung.
    »Hardo!«, schrie Katinka.
    Er sah auf. Winkte zu ihr herüber.
    »Hardo!« Sie fuchtelte mit den Armen herum. »Im Wald! Hinter dir!«
    Der Schwarze drehte sich um und rannte. Hardo sah sich um. Sprang auf die Füße und nahm die Verfolgung auf. Katinka kraulte wie eine Verrückte. Keuchend kam sie ans Ufer und kroch aus dem Wasser. Sie hatte sich übernommen und spürte die Erschöpfung in den Knochen. Der Wind war sehr frisch geworden und strich über ihre ausgekühlte Haut. Sie schnappte sich ihre Schuhe. Hörte schwere Tritte im Wald. Die Wolken verdeckten die Sonne vollständig, und ein seltsam graues Licht legte sich über alles. Sie ging auf die Bäume zu und blickte angespannt in die Schatten, während sie ihre nassen Füße in die Turnschuhe quetschte. Die Wunde am Fußrücken tat noch weh. Mit offenen Schnürsenkeln lief sie los.
    »Hardo?«
    Irgendwo knackten Äste. Weiter weg hörte sie ein Auto vorbeifahren.
    »Hardo?«
    Nur ihr Herzklopfen antwortete ihr. Sie war allein in der Düsternis zwischen den Bäumen. Wachsam sah sie sich um. Weder von Hardo noch von dem Kapuzenheini konnte sie irgendetwas sehen. Die können doch beide nicht vom Erdboden verschluckt sein, dachte sie. Keine Panik jetzt. Sie ging so leise sie konnte bis zur Straße. Als sie den Asphalt durch die Bäume hindurch sehen konnte, hörte sie aus der Ferne einen quietschenden Keilriemen. Das Geräusch verflog.
    Ganz nah knisterten Zweige. Hardo glitt hinter einem Busch hervor wie der Gott Pan.
    »Was war los?«, flüsterte Katinka. »Hast du ihn gesehen?«
    »Einen grünen Opel. Ein altes Modell. War oben an der Straße geparkt. Das Kennzeichen konnte ich nicht entziffern.«
    Sie hörte seiner Stimme an, wie sehr ihn das wurmte.
    »Du zitterst wie Espenlaub! Du musst dir was

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