Spinnenfalle
jubelten, und Papa sagte: »Schatz, keiner kann das so wie du!«
Ich sah schnell zu Ljuba rüber, aber ihr Gesichtsausdruck verriet nichts. Ob sie merkte, dass man sie ganz sanft ausgebootet hatte?
Noch am gleichen Tag besorgte meine Mutter Konzertkarten (sie ist eigentlich eher ein Filmfan wie ich, aber Papa liebt klassische Musik) und Papa war begeistert.
»Endlich gehen wir mal wieder zusammen aus!«, sagte er. »Du weißt ja gar nicht, wie sehr ich das vermisst habe.
Und dann auch noch Dvorak! Nein, also wirklich: wunderbar!«
Prompt revanchierte er sich ein paar Tage später mit Theaterkarten. Selten habe ich so gern den Babysitter gemacht wie an diesem Abend, denn auch ein Blinder konnte sehen, wie glücklich sie waren.
»Ihr könnt ruhig hinterher noch ein Glas Wein trinken gehen«, bot ich an. »Ich pass schon auf, dass das Haus nicht abbrennt.«
Zumindest was meinen Vater anging, gewann meine Mutter wieder Oberwasser. Doch was die Zwillinge und den Haushalt anging, war sie nur zu gern bereit, alles Ljuba zu überlassen.
Ich knirschte unhörbar mit den Zähnen. Eigentlich hatte ich nämlich darauf gehofft, dass sie nicht nur Papa, sondern die gesamte Familie wieder managen wollte. Ich wäre sogar bereit gewesen, beim Putzen mitzumachen, obwohl ich Wischen und Saugen und Fensterputzen aus tiefster Seele hasse.
Aber glücklicherweise kam dann Sina wieder zurück, unsere Putzhilfe. Ihre Mutter hatte den Platz im Pflegeheim früher bekommen, und sie musste sie jetzt nicht mehr voll pflegen, sondern nur noch ein paar Mal die Woche besuchen.
Ljuba überließ Sina großzügig die Putzerei, nur ein Veto legte sie ein.
»Aber putze ich mein Zimmer selbst«, sagte sie. »Wie Alex.«
Das hörte ich jetzt immer häufiger.
»Habe ich Jeans gekauft - gleiche wie Alex.«
Oder: »Gehe ich in Kino mit Freundin - wie Alex.«
Wie bitte?
Das war doch ziemlich seltsam.
Einerseits vermied sie jedes schwesterähnliche Zusammensein mit mir (kein gemeinsames Teetrinken, Musikhören, Kinogehen, Klönen), andererseits nutzte sie aber jede Gelegenheit, um sich mit mir auf eine Stufe zu stellen, unsere Gemeinsamkeiten hervorzukehren (die wir gar nicht hatten) und so zu tun, als wären wir ein Herz und eine Seele.
Ich beobachtete sie voller Misstrauen. Was wollte dieses Mädchen?
Was hatte sie von Papa gewollt? Warum hatte sie sich so bei ihm eingeschleimt und auf lieb Kind gemacht?
Warum war sie den Zwillingen so zugetan, aber Daniel und mir gegenüber so kalt und ablehnend?
Zu uns war sie nur nett, wenn unsere Eltern in Hörweite waren. Aber wenn sie mit uns allein war, nahm sie von uns kaum Notiz. Unsere anfänglichen Versuche, mit ihr eine Art freundschaftliches oder gar geschwisterliches Verhältnis einzugehen, waren von ihr in aller Deutlichkeit abgebügelt worden. Als Daniel seinerzeit in sie verknallt war, hatte sie ihn abblitzen lassen hoch drei. Und meine schüchternen Angebote (»Möchtest du diese Zeitschrift lesen?«, »Willst du auch einen Tee?«) hatte sie eisern lächelnd abgelehnt, obwohl ihr doch kein Zacken aus der Krone gebrochen wäre, wenn sie mal mit mir allein geredet hätte.
Aber ich hätte mich bei niemandem offen beschweren können, weil man nirgendwo den Finger drauflegen konnte. Es war eben nur so ein Gefühl bei mir, das im Laufe der Tage und Wochen und schließlich Monate zur Gewissheit wurde: Sie mochte mich nicht.
Und Daniel auch nicht.
Aber sie wollte irgendwas.
Bloß was?
Je rätselhafter ich ihr Verhalten fand, desto größer
wurde mein Misstrauen und desto mehr war ich auf der Hut.
Wie hatten Daniel und ich damals gesagt: Wachsam und misstrauisch?
Ich war wachsam.
Und nur deshalb erwischte ich sie.
8
D as versteh ich nicht«, sagte Sina eines Nachmittags, als ich allein mit ihr zu Hause war. Ljuba war mit den Zwillingen auf dem Spielplatz und Daniel mit Werder -Fans unterwegs.
Sina stand in meinem Zimmer und schüttelte den Kopf.
»Was denn?«, fragte ich pflichtschuldig, aber eigentlich wollte ich meinen Krimi weiterlesen.
»Ich hab doch strenge Anweisung vom Richter, dass ich bei ihm im Büro nur den Boden putzen darf und sonst gar nichts.«
»Ja.« Ich verkniff mir ein Lachen. Meine Mutter hatte ihr schon x-mal gesagt, dass mein Vater Staatsanwalt ist, aber für Sina blieb er der Richter, Punktum. »Das hat er gesagt, nachdem Sie damals seine Papiere in Unordnung gebracht haben.«
»Pffft!« Sina stand an den Türrahmen gelehnt, sie ist klein und rund, färbt
Weitere Kostenlose Bücher