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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schindler
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das.«
    »Aber in Deutschland nicht üblich?«
    Mein Vater kratzte den letzten Puddingrest aus der
Schüssel. »So kann man das nicht sagen. Das hat es schon immer mal gegeben, aber die Norm war wohl anders.«
    »Ach so«, sagte Ljuba. »Wollte ich gern wissen.«
    Ich wunderte mich. Hatte sie vielleicht einen Kerl kennengelernt, der jünger war als sie, und wollte deshalb wissen, ob das allgemein toleriert wurde?
    Ich sah zu Daniel hin, aber der stapelte Teller aufeinander.
    Dann brachten wir die Kombüse in Ordnung, wie meine Mutter das immer nannte (ich hatte großzügigerweise Daniels Angebot bezüglich der Küchenarbeit abgelehnt), und ich dachte nicht mehr an Ljubas Frage und was wohl dahinterstecken mochte.
    Als ich ihr unten im Flur begegnete - sie ging zu ihrem Kurs und ich in mein Zimmer -, sagte sie sogar »Tschüs«.
    »Tschüs«, sagte ich verblüfft, und eine Zehntelsekunde lang dachte ich, vielleicht ist sie ja doch ganz nett und ich liege mit meinem Argwohn ganz falsch.
    Irrtum.
    Denn am nächsten Tag hörte ich sie telefonieren.
    Auf Russisch. Zumindest hielt ich es für Russisch, es hätte natürlich auch Moldawisch oder Grusinisch oder sonst was sein können. Es hörte sich jedenfalls sehr östlich-fremd an.
    Ich hatte erst später Schule, weil wir momentan verstärkt unter Lehrerausfall litten, und war nach dem Frühstück wieder runtergegangen und das hatte sie wohl nicht mitgekriegt.
    Jedenfalls ging ich hoch in die küche, um mir noch einen Tee zu kochen, als ich sie plötzlich brüllen hörte.
    Nicht sprechen. Brüllen.
    Ich stand wie angenagelt im Flur.
    Sie telefonierte im Wohnzimmer.
    Na toll, dachte ich. Bis nach Russland wird das ja ein
schönes Sümmchen kosten. Wenn Papa die Rechnung kriegt, merkt er doch bestimmt, dass da jemand ein teures Gespräch geführt hat, oder? Als würde man in Japan die Auskunft anrufen und zehn Minuten lang zuhören.
    Ljuba redete jetzt laut und wütend, dann war Pause und dann schrie sie wieder los.
    Ich verzichtete auf den Tee und huschte wieder nach unten, weil ich nicht als Lauscher an der Wand ertappt werden wollte. Mein Versuch, sie auf das Durchwühlen von Papas Schreibtisch festzunageln, war derart in die Hose gegangen, dass ich auf diese Nummer gut verzichten konnte. Wer weiß, was sie mir diesmal angehängt hätte.
    Unten setzte ich mich auf mein ungemachtes Bett und dachte nach.
    Wir kannten Ljuba immer nur überfreundlich und höflich und sehr bemüht. Deshalb war mir diese entfesselte Frau im Wohnzimmer unheimlich.
    Genauso unheimlich wie die Schreibtischdurchwühlerin.
    Ich stand auf, machte mein Bett und stampfte die Treppe hoch.
    Ljuba stand in der Küche und hantierte herum.
    »Du bist noch da?« Sie wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    War ihr Gesicht röter als sonst?
    »Ja«, sagte ich betont gleichmütig. »Die ersten beiden Stunden sind ausgefallen.«
    »Warum hast du nicht gesagt?«
    Ich sah ihr direkt in die Augen. »Ich habe es gesagt. Meiner Mutter habe ich es gesagt. Ich hab nicht gewusst, dass ich dir Rechenschaft schuldig bin.«
    »Rechenschaft?«, fragte sie misstrauisch. »Was ist das? Wieso schuldig? Ich bin nicht schuldig.«

    Ich musste ein bisschen grinsen. Ljuba konnte so gut Deutsch, dass man manchmal vergaß, dass sie selten benutzte Wörter nicht kannte.
    »Das bedeutet, dass ich dir nicht sagen muss, wann ich komme und gehe«, sagte ich langsam. »Du bist nicht meine Mutter.«
    Ihr Blick rutschte zur Seite. Dann lächelte sie ein bisschen. Aber es wirkte verkrampft.
    »Nein, musst du nicht. Klar. Wäre aber nett, wenn ich weiß, wer ist da.«
    »Warum?« Ich sah sie mit aller Wut an, die sich in den letzten Wochen in mir aufgestaut hatte. »Damit du ungestört wühlen kannst? Meinen Eltern hast du was vormachen können, aber mir nicht. Ich weiß nicht, was du im Schilde führst, aber ich trau dir einiges zu.«
    So, nun lagen die Karten offen auf dem Tisch.
    »Schilde?«, hakte sie nach. »Ich habe keine Schilder!«
    »Etwas im Schilde führen heißt etwas vorhaben«, sagte ich ganz ruhig. »Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich traue dir nicht.«
    Ihr Gesicht war ganz starr, kein Muskel regte sich darin, auch ihr verdammtes Lächeln war verschwunden.
    »Alex, du siehst alles falsch«, sagte sie langsam.
    »Ach ja? Höre ich auch alles falsch? War das vorhin Russisch? Warum bringst du deine russischen Freunde nicht mal mit hierher?«, fragte ich spöttisch.
    »Was …«, fing sie an.
    »Du hast vorhin am

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