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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schindler
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Telefon auf Russisch rumgeschrien«, sagte ich. »Ich hab nicht gelauscht, das war überall zu hören. Papa wird sich freuen, wenn er die Telefonrechnung kriegt.«
    Sie verzog verächtlich das Gesicht und fasste in die Tasche von ihrer Strickjacke. Sie hielt mir ein Handy hin.

    »Muss Bernhard nichts bezahlen. Bezahl ich Telefon ganz allein.«
    Dann drehte sie sich um und ging nach unten.
    Ich schulterte meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle.
    Unterwegs hatte ich reichlich Stoff zum Nachdenken.
    Ljuba besaß ein Handy.
    Seit wann? Wir hatten es nie gesehen.
    Andererseits war das ihr gutes Recht.
    Aber warum hatte sie im Wohnzimmer telefoniert und nicht in ihrem Zimmer?
    Klar, wegen dem miesen Empfang im Souterrain. Da spinnen Handys.
    Und mit wem hatte sie gesprochen? Bestimmt hatte sie nicht bis nach Russland telefoniert.
    Aber welche Russinnen oder Russen kannte sie hier in Bremen?
    Wenn das bloß Leute waren, die mit ihr in den Sprachkurs gingen, hätte sie wohl keinen Grund gehabt, so wütend rumzuschreien.
    Also waren es keine Mitschüler.
    Aber wer dann?

11
    I nzwischen verbrachte ich die Nachmittage meistens bei Marlon oder bei Laura oder Martha - nach Hause kam ich fast nur noch zum Abendbrot und zum Schlafen.
    Ich fühlte mich dort einfach nicht mehr wohl.
    Ich konnte mich nicht mehr frei äußern - jede Bemerkung, so schien es mir, wurde von unseren Eltern auf die Goldwaage gelegt: War ich auch nett genug zu Ljuba, unterstellte ich ihr wieder was, ließ ich mich von meiner Antipathie oder meinen Vorurteilen leiten …
    Ich war Ljuba gegenüber immer noch misstrauisch, dieses Misstrauen war in der letzten Zeit eher gewachsen als geschwunden. Aber ich konnte mich zu diesem Gefühl nicht äußern, ich musste so tun, als wäre alles in Ordnung. Sonst hätte Mama mit mir wieder »ein Gespräch geführt« oder mir sonst wie ein schlechtes Gewissen gemacht.
    Ich fühlte mich nicht ernst genommen und falsch verstanden.
    Unsere Eltern behandelten Ljuba wie ein Familienmitglied, die Zwillinge liebten sie, und sogar Daniel hatte sich von ihr wieder ziemlich einwickeln lassen und glotzte sie mit Dackelblick an, wenn er dachte, niemand würde was merken.
    Von wegen »wachsam und misstrauisch«!
    Langsam begann ich an mir zu zweifeln.
    Hatte ich einen Knall? War ich vor lauter Eifersucht nicht mehr ganz klar in meinen Wahrnehmungen?

    Ich biss die Zähne zusammen, verduftete immer so schnell wie möglich nach der Schule, behauptete, ich würde woanders was zu essen kriegen - was auch oft genug stimmte -, und redete abends bei den Familienmahlzeiten kaum noch was.
    Manchmal warfen sich meine Eltern beunruhigte Blicke zu, wenn ich nur einsilbige Antworten auf ihre Fragen gab, aber was sollte ich tun?
    Sie hatten bei der Schreibtischdurchsuchungs-Geschichte Ljuba geglaubt und nicht mir.
    Diese Kränkung hatte ich immer noch nicht ganz weggesteckt.
    Aber ich sah keine Möglichkeit, über meine unguten Gefühle zu reden, denn mittlerweile fühlte ich mich wie der Hase im Märchen vom Hasen und dem Igel : Immer wenn ich in der Familie was ankündigen wollte, war Ljuba mir schon zuvorgekommen.
    Als ich verkündete: »Wenn das Wetter morgen auch so schön ist, wollte ich mit Kathi und Kris ins Stadionbad gehen«, hieß es: »Das haben wir schon mit Ljuba verabredet!«
    Als ich meiner Mutter anbot, das Tafelsilber zu putzen, entgegnete sie strahlend: »Stell dir bloß vor, das hat Ljuba schon gemacht, ist sie nicht super?«
    Als ich den Müll rausbringen wollte, stand der gelbe Sack schon zugebunden neben der Papiertonne.
    Als ich verkündete, ich müsste meinen Blazer in die Reinigung bringen und ob jemand noch was hätte, das ich mitnehmen könnte, fegte Ljuba das vom Tisch: »Gehe ich nachher sowieso, kann ich deins hinbringen.«
    Wie hätte ich dagestanden, wenn ich abgelehnt hätte? Wie eine undankbare Pissnelke.
    Ich war total gefrustet.
    Okay, es hatte in der Vergangenheit zwischen meiner
Mutter und mir ab und zu mal Zoff gegeben, weil ich Hausarbeiten öde finde oder weil ich nicht den allzeit verfügbaren Babysitter spielen wollte, aber ich hatte doch immer (wenn auch manchmal zähneknirschend) meinen Teil dazu beigetragen, dass alles rund lief.
    Jetzt fühlte ich mich auch bei den blöden kleinen Hausarbeiten oder Familienpf lichten an die Wand gedrückt, ich war überflüssig, denn Ljuba hatte das bereits erledigt oder versprochen oder geplant.
    So ein Elend.
    Vor allen Dingen bei

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