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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schindler
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und meinen Ängsten und Entdeckungen. Das ging doch nur unsere Familie etwas an.
    Jetzt tat es mir leid, dass ich mich ihm nicht völlig anvertraut
hatte, weil ich merkte, dass Ljuba ihn eingewickelt hatte wie die anderen.
    Das hielt ich nicht aus!
    Reichte es denn nicht, dass meine Eltern und Geschwister mich für ungerecht hielten und die arme, arme Ljuba in Schutz nahmen, weil ich so unfreundlich und ungerecht zu ihr war? Musste sie jetzt auch noch Marlon in ihren Bann ziehen?
    Vor lauter Hilflosigkeit schoss die Wut in mir hoch, und ich war kurz davor, die ganze Kocherei abzusagen. Marlon konnte nach Hause gehen, und bei Koopmanns würde es heute Abend Spaghetti oder sonst was geben, das ich kochen konnte.
    Aber Marlon hatte sich wieder weggedreht, und als ich sah, wie sich unter der dünnen Baumwolle seines T-Shirts die Muskeln bewegten, während er am Hantieren war, wurde ich von einer Woge von Zärtlichkeit überrollt.
    »Komm mal schnell her«, flüsterte ich. »Ich brauch jetzt einen Kuss.«
    Und zu meiner großen Freude öffnete sich die Tür, während wir uns küssten, und ich erhaschte einen Blick auf eine verkniffene Ljuba-Miene, bevor sie die Tür schnell wieder schloss.

    Das Essen wurde ein voller Erfolg.
    Meine Mutter wollte sofort alle Rezepte wissen, Kris behauptete, sie wollte Hühner in Zukunft nur noch so essen, und Daniel meldete grinsend, er würde an einem Kochkurs mitmachen, falls Marlon einen anbieten würde. Kathi bekam zwar einen Hustenanfall, weil ihr die Suppe zu scharf war, aber dann erklärte sie tapfer, sie fände alles supercool - was immer das bei heißen Suppen bedeuten mochte.
    Danach drehte sich das Tischgespräch um fremde Küchen.

    »Wir lieben italienisch«, sagte Daniel. »Ist ja auch eine ausländische Küche - oder?«
    »Ich liebe russische Küche«, schwärmte Ljuba mit perfektem Augenaufschlag. »Besonders Kaviar!«
    Mein Vater lachte. »Den konntest du dir leisten?«
    »Ja. Nicht oft, aber manchmal. Du nicht?«, fragte sie ihn.
    »Nein.« Papa schüttelte den Kopf. »Wir waren doch arme Studenten. Wir haben meistens in der Uni-Mensa gegessen, und da gab es nie Kaviar - leider.«
    »War schön in Moskau?«, fragte Ljuba. »Schöne Zeit für dich?«
    »Oh ja.« Papa holte tief Luft und geriet ins Schwärmen. »Das war für uns eine völlig neue Welt. Jeden Tag passierte etwas ganz Unerwartetes, mal war es das Essen, mal eine Begegnung, mal das Wetter.«
    »Hattest du viele Freunde?«, fragte Ljuba und grinste ihn schelmisch an. »Oder Freundinnen?«
    Papa lachte. »Du willst es aber genau wissen! Doch ja, wir waren Teil einer großen Clique von russischen und deutschen Studenten und Studentinnen. Dazu gehörten auch Kirgisen und Tungusen und Georgier. Wir haben viel gemeinsam unternommen - Spaziergänge durch das Arpad-Viertel zum Beispiel, oder Museen besucht.«
    »Davon hast du noch nie erzählt, Papa«, sagte Kris vorwurfsvoll.
    Er winkte ab. »Ach, das ist schon so lange her. Ich hab jahrelang nicht mehr daran gedacht.«
    »Hast du noch Kontakt zu russischen Freunden?«, hakte Ljuba nach. Ihre Augen glitzerten, als fände sie das wahnsinnig spannend.
    Mein Vater lächelte bedauernd. »Leider nein. Als ich zurückkam, musste ich fürs Staatsexamen büffeln und hatte kaum noch Zeit zum Briefeschreiben. Damals hatten
wir ja noch keine Computer, damals musste man alles noch von Hand machen. Und telefonieren war wahnsinnig teuer.«
    Mama beugte sich zu ihm und legte ihre Hand auf seine. »Und außerdem haben wir uns dann immer besser kennengelernt. Das hat ihn ganz schön beschäftigt, das kann ich euch sagen. Examen, Freundin - und dann kam ja auch bald Daniel. Da war dauernd was los.«
    Papa zerkrümelte ein Stückchen von einem vergessenen Rest Kroepoek. »Aber es ist schon ein bisschen schade. Solche Auslandszeiten sind ja eigentlich dazu gedacht, internationale Beziehungen zu knüpfen.« Er seufzte. »Aber mit manchen Leuten klappt das, mit anderen weniger.«
    Während ich noch rätselte, was diese Bemerkung bedeuten sollte, sagte Ljuba: »Wenn ich wieder zurück in Russland sein werde, ich nie werde vergessen meine Koopmanns!«
    Sie hob ihr Glas mit Limonade und prostete uns allen zu, während die anderen zurückprosteten und ich gute Miene zu ihrem seltsamen Spiel machte.
    Warum hatte sie meinen Vater so ausgefragt? Weil sie Russin war und was Nettes über ihre Landsleute hören wollte?
    War da nicht irgendwas Lauerndes in ihren Fragen gewesen?
    Oder hatten die

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