Spinnenfalle
melden. Er hätte angerufen.
Das wunderte mich, weil wir uns erst vor einer halben Stunde getrennt hatten.
Ich rief ihn an, aber es war niemand da.
Auf seinen AB sagte ich: »Hallo, Marlon. Hier ist Alex. Warum soll ich dich anrufen, wenn du gar nicht da bist?«
Dann ging ich runter und studierte das Arbeitsblatt für Geschichte, das wir beantworten sollten. Aber während ich vom Schwur im Ballsaal las, der dann irgendwie zur Guillotine geführt hatte, drängelten sich in meinen Gedanken immer ein paar Fragen ins Bewusstsein.
Warum hatte Marlon angerufen?
Was hatte er gewollt?
Ich rief schließlich seine Handynummer an. Das verkniff ich mir meistens, weil so was ja echt stören kann, wenn man mit Kumpels abhängt oder kickt oder typische Jungssprüche klopft.
»Ja?«
»Ich bin’s, Alex. Warum hast du angerufen?«
»Ich?«
»Ja.«
»Wieso?«
Ich seufzte und blieb geduldig. »Das wollte ich von dir ja gerade erfahren.«
»Ich hab dich nicht angerufen, ehrlich nicht.«
»Hä? Ljuba hat gesagt, ich sollte dich zurückrufen.«
»Quatsch. Ach so.«
»Was ›ach so‹?«
»Ich hab Ljuba angerufen und ihr das Sateh-Rezept durchgegeben. Darum hatte sie mich gebeten.«
»Ach so.«
»Genau.«
»Na dann.«
»Hör mal - du klingst irgendwie angepisst. Ist was?«
»Nicht doch«, log ich. »Alles bestens.«
»Dann ist es ja gut. Tschüs bis morgen.«
»Tschüs.«
Ich beendete das Gespräch und glotzte aus meinem Fenster in unseren Minihof, wo die Sonnenstrahlen gerade um die Ecke kamen und die Geranien in feuerrotem Glanz erstrahlen ließen.
Aber die konnten von mir aus auch noch röter blühen, das war mir wurscht.
Was, zum Teufel, sollte das?
Mein Freund hatte unserem Au-pair das gewünschte Rezept durchtelefoniert. So weit okay. Aber warum hatte sie mir gesagt, ich sollte ihn zurückrufen?
Damit ich von seinem Anruf erfuhr! Einen anderen Grund gab es nicht.
Na gut, jetzt wusste ich Bescheid.
Ich ging langsam hoch, weil mein Knöchel wieder etwas pochte, und sah aus dem Esszimmerfenster. Ljuba
saß auf der großen Hollywoodschaukel, während Kathi und Kris mit einer Playmobil -Burg spielten, die sie draußen im Hof aufgebaut hatten.
So ein friedliches, schönes Bild.
Ich schloss die Augen.
War ich vor lauter Eifersucht ungerecht und gemein?
Langsam stieg ich wieder runter und betrat den Hinterhof.
»Du, Ljuba …«, fing ich an.
»Ja?«
»Warum wolltest du, dass ich Marlon anrufe? Er hatte dich doch gar nicht darum gebeten.«
Sie zuckte die Achseln und warf mir von schräg unten einen lauernden Blick zu. »Dachte ich, er hätte so gesagt. Hatten wir so nettes langes Gespräch.« Sie kicherte. »Ist ein netter Junge, dein - äh - Klassenkamerad. Sagt man doch, ja?«
Ich lächelte sie ebenfalls an. »Sagt man zwar, ist er aber nicht nur. Er ist mein Freund. Das weißt du doch. Du hast uns doch beim Küssen erwischt.«
»Ja? Weiß ich nicht mehr. Bist du nicht zu jung für Freund?«, murmelte sie so leise, dass die Zwillinge es nicht hören konnten. Aber die waren eh in ihr Spiel vertieft. »Sollte er sich vielleicht suchen Freundin, die gleich alt.«
Ich biss die Zähne zusammen und grinste weiter. »Nett, dass du dir deshalb Gedanken machst - ist aber ganz unnötig. Wir sind nämlich sehr glücklich miteinander.« Aber ich konnte selber hören, wie kindisch trotzig sich das anhörte - überhaupt nicht so lässig und souverän, wie ich es beabsichtigt hatte.
Ljuba kräuselte die Lippen. »Dann ist ja gut. Bist du glücklich. Aber Marlon? Er auch? Oder er wollen - hmmm - mehr erwachsene - äh - erwachsene Frau?«
Ich zwang mich, laut aufzulachen. »Meinst du etwa so eine alte Frau wie dich? Krass!«
Sie wollte mir antworten - und ich konnte sehen, dass es irgendwas Wütendes gewesen wäre -, aber da warf Kris ihrer Schwester plötzlich ein Schlachtross samt Reiter an den Kopf und die jaulte laut los.
Ljuba und ich stürzten hin, und Ljuba wollte Kathi umarmen, aber die riss sich los und warf sich mir an den Hals.
»Alex - Kris ist so gemein!« Sie schluchzte und hickste, während ich ihren Kopf streichelte und tröstend auf sie einredete.
Der Punkt hier ging an mich, jawohl!
»Musst du nicht schmeißen!«, hörte ich Ljuba aufgebracht zu Kris sagen, woraufhin die auch losheulte.
Alter Geschwistertrick - wenn du deinem Bruder oder deiner Schwester was angetan hast und das zu Geheule führt, heul am besten auch, damit die Strafkompanien verwirrt werden.
Ich hielt Kris den anderen
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