Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
rohe Teil der Stadt, in dem die Erwerbsarmen und die Arbeiter in heruntergekommenen Mietshäusern lebten, zwischen Vampir-Nutten, Junkies und anderem weißen Müll. Das Pork Pit und meine Wohnung lagen in der Innenstadt, in der Nähe der Grenze zu Southtown.
Northtown war im Vergleich dazu eine vertrauensselige Debütantin. Hier lebten die Yuppies mit den guten Bürojobs und die finanzielle, soziale und magische Elite. Die Gegend teilte sich in Viertel mit so affektierten Namen wie Tara Heights und Lee’s Lament, und immer wieder traf man auf weitläufige Herrenhäuser und Anwesen, die dem Geschmack eines ehemaligen Plantagenbesitzers nur allzu gut entsprochen hätten. Aber die altmodische Vorkriegseleganz sorgte nicht dafür, dass dieser Teil der Stadt wirklich besser war. In Northtown nannten einen die Leute »Süße«, während sie einem das Messer in den Rücken rammten. Zumindest passten in Southtown Kulisse und Gefahrenniveau zusammen.
Jo-Jo wohnte in Northtown, wie es angemessen war für einen Luftelementar mit Macht, Reichtum, Status und sozialen Verbindungen. Ich bog ins Viertel Tara Heights ab, rollte in eine Straße namens Magnolia Lane und steuerte den Benz dann eine runde, mit weißen Steinen gepflasterte Einfahrt hinauf, die im fahlen Mondlicht wie gebleichte Schädeldecken glänzten.
Eine dreistöckige Südstaatenvilla mit weißen Säulen davor saß auf einem kleinen grasbewachsenen Hügel wie eine Diamantenkönigin auf ihrem vergoldeten Thron. Drei Stufen führten zu der umlaufenden Veranda, die halb hinter einem Spalier mit Kopou-Ranken und blattlosen Rosenbüschen versteckt lag. Eine einsame Glühbirne erhellte die Veranda und sorgte dafür, dass die Schatten um das Haus nicht ganz so unheilvoll wirkten.
Ich half Finn aus dem Wagen und die Stufen nach oben. Vor der massiven grünen Eingangstür kam eine dünne Fliegengittertür. Ich zog das Gitter auf, streckte den Arm aus und bediente den Klopfer an der eigentlichen Haustür. Der Türklopfer hatte die Form einer bauschigen Wolke – Jo-Jos Luftelementarrune.
Irgendwo im Haus bellte ein Hund. Rosco, Jo-Jos fetter, fauler Basset. Schwere vertraute Schritte erklangen aus dem Inneren des Hauses, und ich konnte ihr Chantilly-Parfüm sogar bis nach draußen riechen. Die Tür öffnete sich, und eine Frau schob den Kopf nach draußen.
»Was wollt ihr so spät?«
Obwohl es kurz vor Mitternacht war, sah Jolene »Jo-Jo« Deveraux aus, als wäre sie bereit, in den Sonntagsgottesdienst zu gehen. Ein geblümtes Kleid bedeckte ihren untersetzten, muskulösen Körper, und um ihren kurzen Hals lag eine Perlenkette. Ihre Füße waren nackt, und ihre breiten Zehennägel leuchteten in kokettem Rosa. Die Farbe passte zu ihrem Lippenstift und ihrem Lidschatten. Jo-Jos blondierte, fast weiße Haare waren zu ihrer üblichen helmartigen Lockenfrisur aufgetürmt, aber ich konnte sehen, dass der schwarze Ansatz wieder gefärbt werden musste. Mit ihren ein Meter fünfzig war sie groß für einen Zwerg, und ihre Haare machten sie noch ein Stück größer. Trotzdem war ich fast zwanzig Zentimeter größer als sie.
»Hey, Jo-Jo.« Ich zerrte Finn vorwärts und ins Licht. »Ich bin’s, Gin. Der Kerl hier könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen.«
Die Augen der Zwergin waren fast farblos, bis auf den winzigen schwarzen Punkt in ihrer Mitte. Ihr fahler Blick glitt über Finns zerbeulte Miene, dann über die Blutspritzer, die uns beide über und über bedeckten. Die Krähenfüße und Lachfältchen in ihrem Gesicht, das sonst noch recht jung wirkte, vertieften sich vor Sorge.
»Ach du heiliger Pantherdreck«, sagte Jo-Jo gedehnt. Ihre Stimme war so hell und süß wie Aprikosennektar. »Kommt rein, kommt rein. Bring ihn nach hinten. Du weißt, wohin.«
Ich hob Finn quasi über die Türschwelle und zerrte ihn durch einen langen schmalen Flur in einen großen Raum, der fast die gesamte hintere Hälfte des Hauses einnahm. Er sah aus wie ein typischer Schönheitssalon in den Südstaaten. Gepolsterte Drehstühle. Altmodische Haartrockner. Ein paar Arbeitsflächen, auf denen Haarspray, Nagellack, Scheren, Lockenwickler und zahnlückige Kämme lagen. An den Wänden hingen Fotos von Models mit Frisuren, die seit mindestens zwanzig Jahren aus der Mode waren, während sich auf so gut wie jeder anderen verfügbaren Fläche Schönheits- und Modemagazine stapelten. Eine Seitentür führte in einen Raum voller Bräunungsliegen.
Jo-Jo Deveraux verdiente sich ihr Geld mit einer
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