Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
Tätigkeit, die sie in ihrer Funktion als selbst ernannte »Drama-Mama« ausführte. Sie setzte ihre Luftmagie für Schönheitswettbewerbe, Debütantinnenbälle und andere soziale Funktionen in Ashland und weit über die Stadtgrenzen hinaus ein. Wenn man irgendetwas säubern, zupfen, glätten, wachsen, schneiden, auf Lockenwickler rollen, färben, bräunen oder peelen konnte, erledigte das Jo-Jo in ihrem Kosmetiksalon. Luftmagie war phantastisch dafür geeignet, ungewollte Falten zu glätten und die Brüste von Frauen wieder in die Form zu bringen, die sie vor fünf Jahren und zwei Kindern einmal gehabt hatten.
Nur ein paar ausgewählte Freunde wussten vom Nebengeschäft der Zwergin als Heilerin. Aber Jo-Jo und Fletcher kannten sich schon sehr lange, und in all den Jahren hatte ich ihre Dienste immer wieder in Anspruch genommen.
Ich schleppte Finn zu einem der kirschroten Sessel, setzte ihn ab und ließ mich in den Stuhl daneben fallen. Jo-Jo trippelte hinter uns ins Zimmer. Sie ging zu einem der Becken an der Wand und wusch sich die Hände. Rosco, der Basset, der vorher gebellt hatte, lag an seinem üblichen Platz in seinem Korb neben der Tür. Der Hund sah auf, schnüffelte einmal, dann ließ er seinen braunschwarzen Kopf nach unten sinken. Rosco bewegte sich nur aus seinem Körbchen, wenn es etwas zu essen gab.
Jo-Jo zog einen beweglichen Stuhl zu Finn. Sie schaltete eine helle Halogenlampe an und drehte sie so, dass der Lichtschein direkt auf sein Gesicht fiel.
»Was zur Hölle ist passiert, Finn? Als ich dich vorhin in der Oper gesehen habe, hast du gerade an einem süßen jungen Ding rumgeschraubt.«
Jo-Jo Deveraux war auf jedem Fest zu finden. Sie liebte nichts mehr, als sich die Haare aufzudrehen, ein schönes Kleid und schicke Schuhe anzuziehen und auf eine Party, einen Ball oder eine Wohltätigkeitsveranstaltung zu gehen. Und sie wurde auch zu jedem einzelnen Event eingeladen. Wenn man zweihundertsiebenundfünfzig Jahre alt war, kannte man einfach eine Menge Leute.
Finn verzog das Gesicht. »Unglücklicherweise wurden wir unterbrochen.«
Jo-Jo öffnete den Mund, um noch eine Frage zu stellen, aber ich kam ihr zuvor.
»Fletcher ist tot.« Irgendwie zwang ich die Worte über meine Lippen, obwohl sie in meiner Kehle wie Säure brannten.
Jo-Jos Blick richtete sich auf mich. Ein Schatten glitt über ihr Gesicht, aber sie schien nicht allzu überrascht. Jo-Jo war nicht nur Heilerin, sie besaß auch ein paar seherische Fähigkeiten. So war es bei den meisten Luftelementaren, was angesichts der Tatsache, dass sie die Vibrationen und Gefühle in der Luft belauschen konnten, auch nicht überraschend war. Vielleicht hatte die Zwergin aber auch nur eins und eins zusammengezählt und aus der Tatsache, dass wir so spät am Abend bei ihr auftauchten, geschlossen, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.
»Fletcher ist tot? Wie?«
Ich erzählte zum zweiten Mal meine Geschichte. Oper. Fluss. Fletcher tot auf dem Boden des Pork Pit.
»Es tut mir so leid, ihr beiden«, sagte Jo-Jo sanft. »Fletcher war ein echter Teufelskerl. Sophia und ich haben ihn geliebt, genau wie ihr beide es getan habt.«
»Ja, das war er«, antwortete ich. »Und ich weiß, was er euch bedeutet hat.«
Damit verfielen wir alle in Schweigen, überwältigt von den Gedanken und Erinnerungen an den alten Mann. Wir blieben lange stumm. Ich war dankbar um die Stille.
Jo-Jo musterte Finns zerschundenes Antlitz noch eine Weile, bevor sie sich an die Arbeit machte. Sie hielt ihre Hand vor sein Gesicht, ohne dass ihre Handfläche sein blutiges, geschwollenes Fleisch berührte. Die Augen der Zwergin begannen in einem milchigen Weiß zu glühen, als würden Wolken durch ihren Blick treiben. Ein ähnliches Leuchten erhellte ihre Hand. Die Macht, die von ihr ausging, war allgegenwärtig. Es knisterte in der Luft, und ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. Luft und Stein waren gegensätzliche Elemente, und wann immer zu viel dieser Magie benutzt wurde, erfüllte mich Unruhe. Es erschien mir einfach falsch. Allerdings fühlte sich meine Stein- und Eismagie für Jo-Jo oder jeden anderen Luft- oder Feuerelementar genauso an.
Finn schloss die Augen und ließ den Kopf gegen das Polster sinken, als käme er gerade in den Genuss einer kosmetischen Gesichtsbehandlung. In gewisser Weise stimmte das ja auch. Jo-Jo fuhr mit ihrer Handfläche über sein Gesicht, zwang Sauerstoff in seine offenen Wunden, ließ den Stoff unter seiner Haut kreisen und
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