Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
verbraucht. Ich war dabei, mich in ein verdammtes Klischee zu verwandeln. Und bevor ich mich versah, saß ich bei einem Therapeuten – oder mit den anderen Irren wieder in der Ashland-Klinik.
Zehn Minuten später stieg ich aus der Dusche, trocknete mich ab und zog mir eine blaue Jogginghose, ein passendes Sweatshirt und dicke Socken an. Mit einem Kamm löste ich die Knoten in meinen Haaren. Ich lehnte mich vor, senkte das Kinn und starrte in den Spiegel. Jo-Jo war nicht die Einzige, bei der man den Haaransatz sah. Vielleicht würde ich meine Haare der Abwechslung halber in ihrer natürlichen Farbe nachwachsen lassen.
Der Gedanke überraschte mich, und der Kamm verfing sich tief in den feuchten Locken. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann meine Haare das letzte Mal einfach meine Haare gewesen waren, ohne für irgendeinen Auftrag oder irgendeine Tarnidentität geglättet, gefärbt oder kurz geschnitten zu sein. Ich war mir nicht sicher, ob ich mich noch daran erinnerte, welche Farbe meine Haare hatten. Aus irgendeinem Grund störte mich das plötzlich.
Ich senkte den Blick, kämmte mich fertig, öffnete die Badezimmertür und tapste ins Wohnzimmer. Finn saß immer noch am Küchentisch und tippte etwas in seinen Laptop ein. Wahrscheinlich hatte er sich während der Zeit, die ich in der Dusche verbracht hatte, nicht einmal bewegt, außer vielleicht, um seinen Computer näher heranzuziehen.
Donovan Caine dagegen hatte es sich gemütlich gemacht. Er lehnte an einem der dicken Kissen auf dem Sofa und drückte sich ein mit Eis gefülltes Küchenhandtuch auf das rechte Auge. Im Fernseher vor ihm lief ein alter Schwarz-Weiß-Film. Die boshafte Lady mit Bette Davis. Caine schob den Eisbeutel auf das andere Auge und verzog das Gesicht.
»Soll ich mir Ihr Gesicht mal anschauen?«, fragte ich den Detective. »Ich bin ziemlich gut darin, Leute zusammenzuflicken.«
»Genau«, meinte Finn mit einem Grinsen. »Wenn sie die Patienten vorher nicht umgebracht hat.«
Caine verzog bei dem schlechten Witz das Gesicht. Aber offensichtlich hatte er keine Angst vor mir und dem, was ich ihm antun konnte, denn er stand auf.
»Sicher«, sagte er. »Es kann kaum noch schlimmer werden als im Moment.«
Na ja, du könntest tot sein und gar nichts mehr fühlen, dachte ich, aber ich ließ ihm die Bemerkung durchgehen.
Caine folgte mir ins Gästebad, und ich wies ihn an, sich auf die geschlossene Toilette zu setzen, während ich eine der Dosen mit Heilsalbe holte, die Jo-Jo Deveraux mir gegeben hatte.
»Machen Sie die Beine breit«, sagte ich.
»Entschuldigung?«
Ich deutete auf seine Beine. »Öffnen Sie die Beine, damit ich dazwischen passe. So komme ich leichter an Ihr Gesicht.«
»Oh. Klar. In Ordnung.«
Der Detective spreizte die Beine, und ich kniete mich vor ihn. Wieder einmal fühlte ich die Wärme seines Körpers. Trotz all des Blutes, mit dem er in Kontakt gekommen war, duftete er immer noch nach Seife. Blitzsauber bis zum bitteren Ende. Ich hätte nie gedacht, dass eine so einfache Duftnote so berauschend sein könnte. Aber Donovan Caine roch so gut, dass ich mein Gesicht an seinem Hals vergraben wollte, um seinen Duft in mir aufzusaugen. Köstlich …
Ich nahm die Cremedose vom Waschbecken. Die einzige Markierung auf dem weißen Plastik war Jo-Jos Wolkenrune, die in leuchtendem Blau auf dem Deckel prangte. Ich öffnete den Behälter, und der süßliche Geruch von Vanille verbreitete sich im Raum. Zusätzlich zu der Heilung mit den Händen konnten Luftelementare wie Jo-Jo auch Produkte mit ihrer Magie erfüllen wie diese Salbe. Das verlieh dem Medikament einen zusätzlichen Kick.
Ich tunkte meine Finger in die Salbe. Sie fühlte sich warm und glatt an, und ein leichtes Kribbeln wanderte von meinen Händen die Arme nach oben, genau wie es passierte, wann immer Jo-Jo ihre Magie bei mir anwandte. Die Spinnenrunen auf meinen Handgelenken begannen zu jucken und zu brennen, wenn auch nicht so schlimm wie im Salon. Hauptsächlich deshalb, weil die Magie in der Wundsalbe nicht so stark war wie Jo-Jos rohe, unverdünnte Macht. Trotzdem würde sie Donovan Caines geschundenes Gesicht heilen.
Ich lehnte mich vor und hob meine Finger mit der Salbe daran vor sein Gesicht. Caine zuckte zusammen und wich zurück, bevor ich ihn berühren konnte. Was dachte er, was ich vorhatte? Ein Messer ziehen und ihm die Halsschlagader durchtrennen? Als würde ich eine solche Sauerei in meiner eigenen Wohnung anrichten. Als hätte ich ihn heute
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