Spion Für Deutschland
ungewöhnlichen Maßnahme: Ich durfte die beiden Herren in einem normalen Raum, ohne Guckloch und Telefon also, sprechen.
In diesen Wochen, da ich begann, wieder Hoffnung zu schöpfen, geriet ich, ohne es zu wollen, in eine Häftlingsrevolte im kleinen. Wir waren wie jeden Tag in den Speisesaal gekommen. Auf dem Küchenzettel stand Spaghetti mit Fleischsoße. Das Häftlings-Diner war also weit dürftiger als sonst. Während des Essens herrschte im Speisesaal ganz unnatürliche Ruhe. Kein Mensch sprach mit seinem Nachbarn. Es schien, als wäre es verabredet worden. Aber ich wußte nichts von der Absprache.
Auf einmal ging es los. Wie auf Kommando sprangen die Gefangenen von ihren Sitzen hoch, warfen die Tische um und schlugen alles kurz und klein.
»Meat! Meat!« brüllten sie. »Wo bleibt das Fleisch? Wir wollen eure Drecksoße nicht fressen. Fleisch wollen wir!« Die Maschinengewehre der
Wachmannschaften wurden durch die Glasfenster des Speisesaals gestoßen. Wir warfen uns zu Boden. Jeden Augenblick mußte die Schießerei losgehen. Nach dem blutigen Aufstand des Jahres 1946 verstanden die Wachmannschaften keinen Spaß mehr.
Der Captain betrat den Saal. Er wurde ausgepfiffen. Dann kam der Direktor persönlich. Es war auf einmal wieder so still wie vor dem Zwischenfall. »Was ist los mit euch?« fragte er. »Seid ihr verrückt geworden?« Er erhielt zunächst keine Antwort.
»Ich verlange von euch, daß ihr jetzt einzeln den Speisesaal verlaßt. Habt ihr verstanden? Wer meiner Aufforderung nicht folgt, wird als Meuterer behandelt.
Überlegt es euch!«
Niemand rührte sich.
»Ich gebe euch noch sechzig Sekunden«, fuhr Mr. Swope fort. »Noch
fünfundfünfzig. Noch fünfzig. Noch fünfundvierzig.«
Ein Häftling stand zögernd auf, sah weder nach links noch rechts, verließ den Speisesaal. Er wurde ausgepfiffen. Andere folgten ihm. Die meisten von uns hatten mehr Angst vor den illegalen Anführern dieser Revolte als vor der Strafaktion des Direktors. Man mußte darauf bedacht sein, nicht zu früh zu gehen und nicht zu lange zu bleiben.
Nun meldete sich einer der Häftlinge zu Wort.
»Wenn wir morgen kein Fleisch erhalten«, sagte er, »passiert das wieder. Wir haben Anspruch darauf. Wir brauchen das für unsere Ernährung.«
»Ich werde den Fall überprüfen lassen«, versicherte der Anstaltsleiter.
Der Sprecher Pinszky kam als Rädelsführer zur Strafe in den Block D, den Schweigeblock. Sechs Monate hielt er es aus, dann verübte er Selbstmord. Es war am Weihnachtsabend. Er hatte sich eine Rasierklinge verschafft und sich damit die Pulsadern aufgeschnitten. Wie ihm das gelingen konnte, ist nie geklärt worden. Mit den Rasierklingen wurde nämlich auf Alcatraz geradezu ein Kult getrieben.
Zweimal in der Woche erschien ein Vorzugshäftling mit einem Tablett. Auf ihm waren auf genau angegebenem Platz Rasierklingen. Man erhielt sie für drei Minuten, dann mußte man sie wieder auf das- Tablett legen. Jede Woche wurden sie gewechselt. Die Gefängnisleitung wol te verhindern, daß auch noch andere Häftlinge den Weg des Mr. Pinszky gingen.
Das moderne Sicherheitssystem auf Alcatraz arbeitet mit allen technischen Raffinessen. Wer sich zur Arbeit meldete, mußte beim Verlassen und Betreten des Zellenhauses einen Apparat passieren, der auch das kleinste Stückchen Metal registrierte. Wenn der Apparat summte, mußte sich der Gefangene bis auf die Haut ausziehen und durchfilzen lassen. Es war also ausgeschlossen, irgendwelche Ausbruchswerkzeuge in seine Zelle zu schmuggeln.
Im Gegensatz zu anderen Strafanstalten war in Alcatraz die Arbeit nicht Pflicht.
Man konnte sich für die paar Dollar, die man verdiente, auch nichts kaufen. Die sogenannten >Marketenderwaren< wurden nicht verkauft, sondern zugeteilt.
Jeder erhielt drei Päckchen Zigaretten pro Woche. Die Rasiercreme war gratis.
Das Obst ebenfalls. Auch etwas Schokolade wurde ausgegeben.
Ich war dreieinhalb Jahre in Alcatraz und hatte mir einige Fingerfertigkeit in der Seilerei angewöhnt. Auf meinem Konto standen ein paar hundert Dollar, mit denen ich nichts anfangen konnte. Ich besaß das Vertrauen meiner Mithäftlinge und das der Gefängnisleitung. Ich ging jeden Morgen zur Arbeit und lag jeden Abend mißmutig im Bett. Mitten in der Nacht wurde ich geweckt. Ich sah auf die Uhr. Drei Uhr morgens.
»Ist etwas passiert?« fragte ich schlaftrunken.
»Ja«, erwiderte der Wärter, »es ist etwas passiert. Rate mal.«
»Was weiß ich«, antwortete ich
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