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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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trockene, müde Zuchthausluft und die rüden Gespräche und die verdrossenen Gesichter der Aufseher und die alten Witze. Und das grelle Gelächter.
    Wieder einmal holte man mich von der Arbeit weg.
    Mr. Boone, der farbige Parole-Offizier, nahm mich auf die Seite. »Reißen Sie sich zusammen«, sagte er. »Ich habe durchgesetzt, daß Sie heute noch einmal vor den Parole-Richter kommen. Vorzeitig. Sehen Sie zu, daß Sie einen guten Eindruck hinterlassen!«
    Der Mann am Richtertisch sah gemütlich, kleinbürgerlich und typisch
    amerikanisch aus. Er war weder gleichgültig noch teilnehmend. Er war ein Sendbote der Bürokratie aus Washington. Er wußte wohl kaum, daß er
    Schicksale in seinen Händen hielt.
    »Sie sind also Gimpel?«
    »Yes, Sir.«
    Er schob seine eckige Brille etwas nach oben. Ich hatte nicht einmal Zeit gehabt, mir die Hände zu waschen. Meine Kleidung war verschmiert. Ich fühlte mich gehemmt.
    »Nun sagen Sie mir etwas«, ermunterte mich der Richter. Ich brachte kein Wort heraus.
    »Sie wol en doch etwas?« fuhr er fort.
    »Ich möchte meine Freiheit, Sir.«
    Er spielte mit seinem Bleistift.
    »Und?«

    Mr. Boone schaltete sich ein.
    »Der Mann kommt gerade von der Arbeit, Sir. Er hatte keine Ahnung, daß er heute vor die Parole-Kammer kommen würde. Ich bitte, ihm das nachzusehen.«
    Der Richter zögerte einen Augenblick. Dann wurde er eine Nuance freundlicher.
    »Ich weiß, daß Sie sich hier gut geführt haben. Aber, aber« — er räusperte sich ein paarmal — »Spionage gegen die Vereinigten Staaten, das ist keine Kleinigkeit.« Er legte eine Pause ein. »Wenn wir Sie nach Deutschland zurückschaffen ließen«, sagte er, »gingen Sie nach dem Osten oder Westen?«
    Er sah mich gespannt an.
    »Nach dem Westen, Sir.«
    Er nickte befriedigt.
    »Wel , ich wil sehen, was ich für Sie tun kann.«
    Ich ging wieder zurück zur Arbeit. Ich hörte nichts mehr von ihm. Wochen und Monate nichts mehr. Wieder redete mir Mr. Boone zu. Aber die Haftpsychose, deren Anfäl en ich bisher glücklicherweise entgangen war, griff endgültig nach mir. Ich schwankte ständig zwischen Stumpfsinn und Gereiztheit. Die Krise erreichte ihren Höhepunkt, als ich in eine andere Zelle verlegt wurde.
    Es waren unappetitliche Leute, mit denen ich zusammenkam. Ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Ich meldete mich nach der Arbeit bei meinem Wärter.
    »Ich gehe nicht mehr in die Zel e zurück«, sagte ich.
    »Das ist Ungehorsam. Sie wissen, was darauf steht?«
    »Mir ist alles egal.«

    »Ich muß Sie melden«, entgegnete, er.
    Ich kam in Einzelhaft. Nichts Neues für mich. Wasser und Brot. Am zehnten Tag hatte ich vierzig Pfund abgenommen. Ich war spindeldürr geworden. Man machte sich Sorgen um mich. Ich gab nicht einmal eine Antwort, wenn man mich ansprach.
    Eines Tages wurde ich zum stel vertretenden Direktor gerufen. Der Mann, der mich führte, hieß Mr. Lowe. Er war ein Mensch und keine Maschine.
    »Reiß dich zusammen«, sagte er, »sei nicht so stur. Sie mögen dich hier alle ganz gern. Aber du darfst dich nicht gegen die Ordnung auflehnen.«
    Ich erwiderte nichts.
    Der Vizedirektor sah mich von oben bis unten an.
    »Na, Gimpel«, begann er dann, »immer noch verstockt?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Ich gebe Ihnen eine Minute Zeit, sich Ihre Antwort zu überlegen«, entgegnete er. Er stand auf und ging im Zimmer hin und her. »Sie sind kein Kind, überlegen Sie sich genau, was Sie sagen.«
    Er blieb stehen.
    »Gehen Sie in Ihre Zelle zurück?«
    »Nein, Sir.«
    »Abführen!« rief der Beamte unwillig.
    Mr. Lowe ging neben mir. Am Gang blieb er stehen.
    »Hör mich an«, sagte er, »du kennst mich genau, nicht?«

    »Ja.«
    »Du weißt, daß ich dir nicht schaden will?«
    »Ja.«
    »Du gehst jetzt zurück zum Direktor und sagst ihm, daß du dich unterwirfst.
    Ich darf dir nicht sagen, um was es geht, aber ich beschwöre dich, geh zurück, du würdest es bitter bereuen.«
    Mein Stumpfsinn war grenzenlos. Aber ich schätzte und liebte Lowe. Er war schon ein alter Mann, der oft von seiner Familie erzählte. Ich ging zurück, nur um ihm einen Gefallen zu erweisen. Freudestrahlend meldete er mich beim Vizedirektor.
    »Haben Sie es sich doch noch überlegt?« fragte er.
    »Jawohl, Sir.«
    »Sehen Sie ein, daß Sie falsch gehandelt haben?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Gut. Sie werden morgen entlassen. Ihre Parole ist genehmigt worden.«
    Ich konnte es nicht begreifen. Fast elf Jahre hatte ich auf meine Freiheit gewartet, und als ich sie

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