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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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auf dem Boden. Als wir nach beendeter Arbeit in die Zel en zurückgeführt werden sol ten, torkelte er zu unserem Entsetzen auf den Captain der Wachmannschaft zu und lallte:

    »Du bist ein feiner Hund, Captain. Aber wie ich jetzt die Treppe hinaufkommen soll, weiß ich nicht.«
    Der Captain legte seinen Arm um ihn herum und zerrte ihn in seine Zelle.
    »Schlaf dich aus«, sagte er, »du bist krank. Sieh zu, daß du wieder gesund wirst.«
    Er erstattete keine Anzeige, was ihm al e Gefangenen hoch anrechneten. Seit dem blutigen Aufstand des Jahres 1946 hatten Gefangene und
    Wachmannschaften voneinander gelernt. Obwohl Alcatraz als die strengste amerikanische Strafanstalt verrufen ist, hat sie auch ihre angenehmen Seiten.
    Zum Beispiel den Speisesaal. Er war so appetitlich und fast so komfortabel, daß man glauben konnte, in einem Hotel zu sein. Die Tische waren aus
    Nußbaumholz. Wir saßen zwanglos gruppiert. Der Speiseplan war
    wohlausgewogen, das Essen gut zubereitet.
    Das war typisch für die Mentalität des Strafvol zugs: Da keiner der Gefangenen eine Chance hatte, jemals wieder in Freiheit zu kommen, wol te man der dumpfen Verzweiflung wenigstens dadurch entgegenwirken, daß man den
    Häftlingen bei aller Strenge wesentliche Erleichterungen einräumte. Auch hier durfte ich zweimal im Monat in das Kino gehen. Einmal im Jahr wurde jeder Gefangene vor eine Disziplinarkommission gestel t, der der Captain der Wachmannschaft, der Anstaltsleiter, die Wärter des Blocks und der Geistliche angehörten. Obwohl diese Kommission nur über kleine Hafterleichterungen entschied, war ihr Zuspruch, psychologisch gesehen, sehr wichtig.
    Ein Beamter sagte zum Beispiel zu mir:
    »Ich weiß eigentlich gar nicht, warum Sie hier noch sitzen, Gimpel. Sie sind doch Kriegsgefangener. Ich wil einmal sehen, ob sich nichts für Sie tun läßt.«
    Die Hoffnung, Alcatraz jemals wieder verlassen zu können, wuchs
    selbstverständlich unter diesen Worten, obwohl es nachgerade sinnlos war, sie zu nähren.

    Das sechste Jahr meiner Haft war nunmehr gekommen. Von der Außenwelt wußte ich nicht mehr, als ich in gelegentlich eingeschmuggelten Zeitungen lesen konnte. Jede Verbindung zur Heimat war abgebrochen. Ich erhielt keine Briefe. Als ein Wärter zu mir kam und sagte: »Für Sie ist Besuch da, Gimpel.
    Machen Sie sich fertig«, glaubte ich, daß ich verwechselt worden sei.
    Aber es stimmte.
    Ich wurde in den Besuchsraum, eine der merkwürdigsten Einrichtungen von Alcatraz, geführt. Gast und >Gastgeber< waren durch eine Mauer voneinander getrennt, in die man aus dickem Glas Gucklöcher eingebaut hatte. Man konnte sich gegenseitig sehen, aber nicht verstehen. Deshalb waren an beiden Seiten der Wand Telefonapparate angebracht. Während man sich sah, telefonierte man miteinander. Ein Wärter hörte mit. Sobald das Gespräch eine Wendung nahm, die ihm nicht behagte, drückte er auf einen Knopf und unterbrach damit die Leitung. Ich ging wie ein Schlafwandler in den Besuchsraum. Mein Begleiter wies mir ein Guckloch an. Ich sah hindurch. Auf der anderen Seite stand im eleganten Anzug ein Herr in mittleren Jahren. Er lächelte mich an. Ich nahm den Hörer.
    »Guten Tag, Herr Gimpel«, sagte der Herr auf deutsch, »Sie werden sich wundern, Besuch zu erhalten. Ich wollte Sie schon lange besuchen, aber ich habe erst jetzt eine Sprecherlaubnis bekommen. Ich bin der deutsche
    Generalkonsul von San Francisco, Dr. Schönbach.«
    »Sehr erfreut«, stammelte ich.
    »Ich will Ihnen nur sagen, daß wir Sie nicht vergessen haben. Wir tun alles, was wir können, um Sie hier heraus zu bekommen. Sie werden verstehen, daß wir dabei behutsam vorgehen müssen. Sie müssen Geduld haben und noch einmal Geduld.«
    »Die habe ich mir angewöhnt«, erwiderte ich. »Ich danke Ihnen vielmals, Herr Generalkonsul. Sie glauben gar nicht, was es für mich bedeutet, einmal wieder mit einem Menschen zu sprechen, der weder Aufseher noch Häftling ist.«

    »Das kann ich mir denken. Ich wollte Ihnen eigentlich Trost zusprechen. Aber ich habe wohl leicht reden. Ich bin nicht allein gekommen«, sagte er dann, »ich habe hier noch den Geistlichen der deutschen Kolonie von Frisco mitgebracht.«
    Er lächelte mir noch einmal zu, und an das Guckloch trat jetzt ein Mann mit dem typischen Habitus des Pastors.
    Wir unterhielten uns zwanzig Minuten lang. Beide Herren versprachen mir, wiederzukommen. Sie hielten ihr Wort. Beim zweiten Besuch entschloß sich der Direktor zu einer ganz

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