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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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mürrisch. »Laß mich schlafen oder ich beschwere mich. Du hast kein Recht, mich zu wecken.«
    »Pack deine Sachen, du Trottel«, entgegnete der Wärter. »Der Kerl verschläft seine eigene Entlassung.«
    »Entlassung?« fragte ich.
    »In fünf Minuten hole ich dich ab. Du bist nach Atlanta im Staate Georgia verlegt.«
    Ich glaubte zu träumen. Ein Wunder war geschehen! Ich sol te gesund und lebend von der >Teufelsinsel< Alcatraz kommen? Eine Sensation, die durch alle Zeitungen gehen würde. Eine Nachricht, die man für unglaublich halten mußte.

    Verlegt nach Atlanta!
    Das konnte das Vorzimmer der Freiheit sein.
    Meine Hoffnungen waren weit schnel er als die amerikanische Justizmaschine.
    Ich betrat die Strafanstalt von Atlanta im Staate Georgia an der Ostküste Amerikas — von Alcatraz aus gesehen also am anderen Ende des Kontinents —
    mit dem Gefühl eines Mannes, den das alles nichts mehr angeht. Was Warten heißt — hoffnungsvol es, stupides, resignierendes Warten —, sollte mir einmal mehr in meinem Leben demonstriert werden. Meine Strafe war zum zweitenmal reduziert worden. Ich hatte jetzt dreißig Jahre Haft zu verbüßen. Wer sich gut führt, kann nach amerikanischer Gewohnheit Antrag auf Entlassung im Rahmen des >Parole-Verfahrens< stel en, wenn er ein Drittel seiner Strafe verbüßt hat.
    Häftlinge, die im Zuge dieses typisch amerikanischen Verfahrens entlassen werden, müssen sich jeden Tag bei einer bestimmten Polizeistation melden. Sie haben um eine bestimmte Zeit nach Hause zu gehen, sie dürfen keinen Alkohol trinken — sie sind weiterhin mit einem Bein im Gefängnis.
    Ich beantragte Entlassung auf Parole. Ich wurde einem Parole-Offizier zugeteilt.
    Es war Mr. Boone. Ein Farbiger. Er war groß, schlank, trug ein kleines Schnurrbärtchen auf der Oberlippe und lieferte den Beweis, daß sich ein Gefangenenaufseher mit der Ritterlichkeit eines Gentleman benehmen kann . Er war ein menschlicher Mensch. Daß ich heute auf freiem Fuß bin, verdanke ich ihm.
    Erster Parole-Antrag abgelehnt! Ich war verzweifelt. Die Hoffnung wechselte in Lethargie über. Ich aß ganz wenig, konnte nicht mehr schlafen, verfiel in einen stumpfen Gefängniskoller. Nur einmal im Jahr kann man sich der Parole-Kammer stel en. Ich würde also noch einmal 365 Tage in Atlanta zubringen. Mr.
    Boone kämpfte meine Resignation nieder. Auf seinen Rat hin meldete ich mich in die Weberei. Ich entwickelte mich zu einem Facharbeiter. Arbeit lenkt ab.
    Am Webstuhl beging ich mein zehnjähriges Zuchthausjubiläum. Vom Winde verweht nach Atlanta, dem Schauplatz des berühmten Romans >Vom Winde verweht<. Zehn Jahre unter Gaunern und Mördern, unter gehässigen

    Gefangenen und unter gleichgültigen Aufsehern. Zehn Jahre die Nummer am Arm. Dreitausendsechshundertfünfzig Nächte in der Zelle. Nächte voller Sehnsucht, voller Hoffnung, vol er ungeweinter Tränen, voller ungeschehener Küsse, voller ordinärer Flüche.
    Vielleicht schaufelte ich Kohlen an dem Tag, an dem mein Vater starb. Ich wußte es ja nicht. Ich wußte überhaupt nichts. Ich wollte auch nichts wissen.
    Mich interessierte weder die Auseinandersetzung Ost-West noch der Krieg in Korea, noch der Konflikt in Indochina.
    Nichts, außer essen, schlafen und einmal Kino in der Woche. Dann kam der Mann zu mir in die Zelle, der seine Frau ermordet hatte. Wie gut Mörder manchmal aussehen können! Er war jung, hübsch und blond, lachte herzhaft, und er brachte ganz gute Manieren mit. Außer der Tatsache, daß er seine Frau umgebracht hatte, störte mich nichts an ihm. Er war in Deutschland gewesen. In München. Auf der Straße hatte er seine Freundin kennengelernt. Und dann passierte die Geschichte. Der Psychiater bewahrte ihn vor dem Galgen. Man schaffte ihn von München nach Atlanta und gab ihm lebenslänglich. Er erzählte Stories aus Deutschland. Der Appetit verging mir dabei.
    Wir waren zu sechst in der Zelle. Außer mir ein zweiter Deutscher. Auch ein Spion.
    »Jede Frau kann man in Deutschland haben«, sagte der Mörder. »Manchmal mußte ich zehn Zigaretten geben, manchmal zwanzig. Vielleicht auch eine Tafel Schokolade dazu.«
    »Halt's Maul«, erwiderte ich.
    »Im Ernst«, fuhr der Mörder fort. »Die sind leichter hergegangen als die Französinnen.«
    »Affe«, sagte der deutsche Mitgefangene. »Von den Amerikanerinnen habe ich früher immer noch zehn Zigaretten dazubekommen.«

    Der Ekel kroch mir hoch. Ich ging an das Fenster. Es war geschlossen. Den ganzen Tag die

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