Spion Für Deutschland
ich den ersten Probetext durchgegeben hatte.
Er hieß Heinz, und er lebte, wie man in der Pause zwischen zwei
Kriegseinsätzen eben zu leben pflegte. Er trug einen Stapel von Mädchenfotos in der Tasche und sah am Morgen immer unausgeschlafen aus. Nach ein paar Tagen duzten wir uns, bummelten auf der Reeperbahn und vertrösteten
gegenseitig unsere Bräute.
Ich weiß nicht, wann mir zum erstenmal der Mann auffiel, der mich auf Schritt und Tritt verfolgte. Ich wurde aufmerksam, weil er immer denselben Anzug trug. Entweder war er ein Anfänger, oder er stellte sich so. Als ich meiner Sache sicher war, wandte ich mich an Jürgensen (der natürlich ganz anders hieß). »Ich werde beschattet«, sagte ich, »ich bin nicht ängstlich, aber die Sache fängt an, mir auf die Nerven zu gehen.« Jürgensen lächelte.
»Sie sehen Gespenster«, erwiderte er. »Zeigen Sie mir Ihren Beschatter!«
Ich ging aus der Hotelhalle und suchte ihn. Er war verschwunden.
»Sehen Sie«, sagte Jürgensen.
»Ich werde Ihnen den Mann zeigen«, entgegnete ich. Ich fuhr mit meinem Betreuer in die Mönckebergstraße, ging in den fünften Stock, blieb zehn Minuten. Dann verließ ich das Haus. Im Flur stand mein Bewacher, wieder im selben Anzug. Ich deutete auf ihn.
Jürgensen lächelte.
»Ich werde die Sache abstellen«, sagte er. »Es war ein kleiner Test, den wir mit neuen Leuten immer machen. Wenn Sie nämlich nicht gemerkt hätten, daß Sie beschattet werden, hätten Sie in den nächsten Tagen Ihre Fahrkarte zur Ostfront bei uns abholen können. Wir werden jetzt üben, wie man einen Verfolger abschüttelt. Merken Sie sich, was ich Ihnen jetzt sage!
Sie nehmen ein Taxi! Sie nennen niemals beim Einsteigen eine Adresse! Sie wechseln das Taxi dreimal! Sie lassen sich von heute an nie mehr direkt zu Ihrem Ziel bringen! Sie steigen mindestens drei Straßen vorher aus und gehen den Rest zu Fuß! Sie haben Zeit! Wenn Sie sich nicht Zeit lassen, verlieren Sie eines Tages Ihren Kopf. So oder so. Und ohne Kopf lebt es sich schlecht.«
»Sicherlich«, erwiderte ich.
»Sie gehen auf der Straße«, fuhr Jürgensen fort, »und haben den Verdacht, daß Ihnen ein Mann folgt. Sie drehen sich niemals nach ihm um; Sie bleiben auch nicht stehen! Sie wechseln auch nicht die Richtung! Sie geben durch nichts zu erkennen, daß Sie Verdacht geschöpft haben! Sie verlangsamen weder Ihre Schritte, noch gehen Sie schnel er! Und nun wollen Sie den Mann sehen. Wie machen Sie das?« »Was fragen Sie mich, wenn Sie es besser wissen?«
entgegnete ich. »Vor einem Schaufenster machen Sie halt. Sie betrachten sich die Auslage. Hüten Sie sich, nach rechts zu schielen! Hüten Sie sich auch davor, auffällig nach links zu schauen! Sie interessieren sich nur für Hüte und Kleider!
Dann kommt Ihre Sekunde: Der Mann muß Sie passieren. Sehen Sie genau auf das Glas! Da spiegelt sich sein Gesicht. Sie haben nur eine Sekunde Zeit.
Fotografieren Sie ihn! Merken Sie ihn sich. Na ja, Sie werden es schon noch lernen . . .«
Und ob ich es lernte, wie man sich benimmt, wenn man in Gefahr ist! Wie man den Schock, die Furcht, das Grausen hinunterwürgt, wie der Kopf fieberhaft arbeitet und die Hand doch ruhig bleibt. Ganz ruhig. Wie die Augen sich unbefangen geben, als ob man über ein geplatztes Rendezvous, über eine unbezahlte Gasrechnung nachdenken würde. Wie gut, daß ich lernte, wie man sich in Gefahr benimmt! Wie gut es aber wirklich war, merkte ich erst Jahre später — in Amerika . . .
Ich sitze in New York. Wir schreiben 1944. Wenn man mich erkennt, hängt man mich. Ein Gnadengesuch an den Präsidenten bliebe noch. Sicherlich abgelehnt.
Formsache! Präsidenten haben im Krieg andere Sorgen, als Spione zu
begnadigen.
Ich sitze im >Hickory<, einem >Steak-Haus< in der 51. Straße. Es ist neun Uhr abends. Es gibt Steaks, die besten, die New York zu bieten hat, und Pommes frites, auf amerikanisch freilich.
»Wie wol en Sie es?« fragte der Kellner. »Blutig oder durchgebraten?«
»Blutig«, antwortete ich.
Die Kapel e besteht aus vier Mann: Trompete, Geige, Harfe und Schlagzeug. Sie spielt zum Essen >Your belong to my heart<. Ich esse amerikanisch. Auch das habe ich auf der Agentenschule lernen müssen. Man nimmt das Messer in die rechte Hand, Finger nach unten, Knauf nach oben,. Man ballt die Hand zur Faust, um mehr Druck erzeugen zu können. Die Amerikaner essen
zweckdienlich. Man schneidet das Fleisch in kleine Stücke, legt das Messer weg, nimmt die Gabel in die
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