Spion Für Deutschland
können, ob unser Mann selbst gefunkt hat — oder ob sich ein anderer an seinen Sender setzte.« Ich hatte, ohne es zu wissen, den international üblichen Wachsplattentest abgelegt. Ober achtzig Prozent aller in das Ausland entsandten Agenten wurden gefaßt. Fast in allen Fäl en versuchte der gegnerische Geheimdienst, aus der Festnahme eines Spions Kapital zu schlagen. Man bediente die beschlagnahmten Sender weiter und gab fingierte Texte durch. In Deutschland wurden diese Funksprüche aufgefangen und mit den Wachsplattenaufnahmen verglichen. Wenn sie nicht ganz mit der Original-
>Handschrift< übereinstimmten, war man gewarnt . . .
Die Hamburger Agentenschule war auf die ganze Stadt verteilt. Nie bekam man einen >Mitschüler< zu sehen. Ich wurde in eine Radioreparaturwerkstätte in der Nähe des damaligen Adolf-Hitler-Platzes geschickt. Ich lernte, wie man einen Sender baut. Dann kam ich zum Baumwall in die Chiffrierabteilung. Bei einem Apotheker am Rödingsmarkt lernte ich mit Geheimtinte schreiben. Der Mann, der mich das Verfahren lehrte, hatte sie selbst erfunden. Er war
Diplomchemiker, Doktor, und sehr stolz auf seine Entdeckung, die kurze Zeit später durch ein Präparat der IG-Farben abgelöst werden sol te. Die
Geheimtinte war eine farblose Flüssigkeit. Man schrieb mit einem Zahnstocher, um dessen Spitze ein winziger Wattebausch gewickelt worden war, damit das Papier nicht beschädigt wurde. Die Schrift kam zum Vorschein, wenn man mit einem warmen Bügeleisen über das Papier fuhr.
In der fotografischen Abteilung der Agentenschule weihte man mich in die Punktfotografie ein. Man konnte ein ganzes Manuskriptblatt so fotografieren, daß es nur als winziger Punkt erschien. Punkte dieser Art wurden in normale Briefe eingebaut, und viele Nachrichten passierten die Grenze, bis die FBI erstmals auf den Trick gestoßen war.
Nach der Ausbildung in Hamburg, die mehrere Monate gedauert hatte, wurde ich ein paar Wochen in den praktischen Marinefunkdienst gesteckt. Dann mußte ich noch andere Marinestationen durchlaufen. Ebenso nahm sich das
Reichsluftfahrtministerium meiner an. Man interessierte sich vor allem für Radar. Man zeigte mir Flugzeugtypen aller Art. Ich begriff rasch. Alle Leute, mit denen ich zusammengekommen war, die mir den letzten Schliff für meine spätere Auslandstätigkeit gaben, hatten gelernt, den Mund zu halten. Sie fragten mich nicht, wo ich herkäme und wo ich hinwollte. Sie fragten gar nichts, und auch ich lernte schweigen. Ich durfte keine einzige schriftliche Aufzeichnung besitzen. Mein Gedächtnis wurde systematisch trainiert. Ich lernte wichtige Nachrichten im Kopf zu behalten. Selbst der Chiffreschlüssel durfte nur im Gedächtnis verwahrt bleiben. Die größte Leistung, die härteste Strapaze, die schwierigste Aufgabe, die ein Spion vollbringt, ist der Ringkampf mit dem eigenen Gedächtnis.
In Berlin wurde ich dann in die praktischen Kenntnisse eingewiesen: Schießen, Boxen, Jiu-Jitsu, Laufen. In Berlin, Alexanderplatz, sol te ich dann vollends bis zur >Hochschulreife< im Schmuggeln, Stehlen, Lügen, Täuschen und ähnlichen
>Wissenschaften< weitergebildet werden.
Kriminalkommissar Krause von der Berliner Polizei hatte eine ganz besondere Unterrichtsmethode. Er sollte mich in die Kunst einweisen, mich nicht fassen zu lassen. Täglich ging er mit mir durch die Räume seiner Dienststelle im >Alex<, um mir sozusagen Fehler aus dem praktischen Leben zu demonstrieren. Ich erinnere mich noch gut an Benno. Er war fast drei Zentner schwer, hatte ein dickes, rotes, gutmütiges Gesicht und etwas an sich, was ihm sofort Freunde einbrachte. Benno war Bankräuber.
Er saß auf einem Stuhl des Vernehmungszimmers und stöhnte.
»Tag, Benno«, sagte Krause und deutete auf mich, »gib dem Herrn hier schön die Hand, und nun sag schon mal, warum sie dich geschnappt haben.«
»Weil ick doof war«, entgegnete Benno. »Schön«, sagte der Kommissar, »und warum warst du doof?« »Weil ick jequasselt hab'.« »Und warum hast du gequasselt?« »Weil ick besoffen war.« »Und warum warst du besoffen?« »Weil ick hinter einem Weib her war.« »Sehen Sie«, sagte der Kriminalkommissar und wandte sich wieder an mich, »da haben Sie eine Geschichte, frisch aus dem Leben gegriffen.« Er faßte mich unter und ging mit mir auf den Gang. »Hier haben Sie eigentlich fast al es, was Sie lernen müssen«, fuhr er fort. »Die Sache ist ganz einfach. Erstens Mund halten, zweitens nicht trinken und drittens
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