Spion Für Deutschland
keine Frauen. Wenn al e Ganoven das befolgen würden, würden wir Polizisten bedeutend besser bezahlt werden, weil man uns notwendiger bräuchte.«
Wir gingen zusammen in ein kleines Lokal am Bahnhof Börse, in dem die Ganoven verkehrten, soweit man sie nicht zum Wehrdienst eingezogen hatte. Es waren Hehler, Taschendiebe und Leute ähnlichen Schlages. Der Kommissar kannte sie alle, begrüßte sie freundlich und wurde von ihnen wiedergegrüßt. Er erzählte mir die Geschichte jedes einzelnen. Was die Polizei an Tricks wußte, teilte er mir bereitwil ig mit. Er wußte übrigens nicht, warum. Für ihn war ich eine Art Assessor, der von der Theorie hergekommen ist und nun zwangsläufig praktischen Dienst verrichten soll. Er war sehr amüsant, und die Arbeit mit ihm machte mir Spaß.
Aber noch mehr Spaß machte mir Ingrid, die ich während meiner Ausbildung kennengelernt habe. Sie war klein, brünett, zierlich. Sie trank und tanzte gern.
Wir gingen zusammen oft tanzen. Ich konnte es nie erwarten, bis es Abend wurde. Ich hatte keine Ahnung, daß ich mit Ingrid noch eine der größten Überraschungen erleben sol te.
Meine Ausbildung war schon fast abgeschlossen, als sich Jürgensen wieder meldete.
»Sie sind ein Musterschüler«, sagte er. »Und jetzt sol en Sie einmal zeigen, was Sie gelernt haben.«
»Gern«, erwiderte ich, »wann sol es losgehen?«
»Sofort«, antwortete er.
»Und was soll ich machen?«
»Sie fahren nach Holland«, entgegnete er, »da gibt es eine Stadt, die heißt Den Haag. Eine schöne Stadt übrigens. Sie ist besetzt. Von uns.«
»Das weiß ich«, sagte ich.
»Gut. Fahren Sie hin und sehen Sie, was Sie herausbringen! Alles, was für militärische Zwecke wichtig ist, wie der Kommandant heißt, wie viele Truppen dort stationiert sind, wie sie bewaffnet sind. Das ist nur ein Probeauftrag.«
»Und wenn ich gefaßt werde?«
»Dann haben Sie Pech gehabt.«
»Und wie komme ich hin?«
»Wie Sie wol en«, antwortete Jürgensen. »Von mir aus mit einem
Sonderflugzeug und Fal schirm. Sagen Sie mir morgen, was Sie brauchen, welche Uniform, wieviel Geld, welche Ausweise. Und dann hauen Sie ab, und funken Sie drei Tage später, was los ist! Wenn Sie dabei nicht erwischt werden, sind Sie eine Kanone und die Leute dort Schlafmützen. Viel Vergnügen.«
Es war ihm ernst. Ich merkte es rasch. Es wurde nun auch ernst für mich. Ich muß gestehen, daß ich dem Abenteuer mit neugieriger Erwartung
entgegenfuhr. Ich hatte mir keine Gedanken gemacht, ob meine Ausbildung zu Gutem oder Schlechtem führte. Ich reiste einen Tag später ab. Der Agent 146
der deutschen Abwehr erreichte die erste Station seines Kreuzweges.
Ich saß im D-Zug Berlin-Den Haag, zweiter Klasse natürlich. Ich weiß heute nicht mehr, wie ich hieß. Ich hatte mir einen deutschen Alltagsnamen zugelegt.
Nach den Papieren, die ich bei mir trug, mußte ich in Hol and Geschäften nachgehen. Geheime Rüstungssachen. Die Fahrt wurde von der deutschen Abwehr bezahlt. Die Rückfahrkarte hatte das Glück auszustel en . . .
Außer einem Wehrpaß besaß ich ein ganzes Bündel holländischer Gulden. Mein Auftrag lautete, binnen drei Tagen alles über die deutsche Besatzung in der niederländischen Hauptstadt herauszubekommen und nach Berlin zu funken.
Ich hatte einen doppelten Ehrgeiz: Ich wollte es in zwei Tagen schaffen und es sollte kein Geld kosten. Es war nur ein Probeauftrag. Eine ganz harmlose Sache.
Kurz zuvor war in Bordeaux einer unserer Leute bei einer ähnlichen Geschichte umgekommen. Entweder, er hatte die Hände zu spät hochgehoben, oder die Pistole eines Streifenführers der Feldgendarmerie war voreilig losgegangen. Die Abwehr hatte bei ihm das Schulgeld für die Agentenausbildung umsonst entrichtet. Für die Todesanzeige: »Gefallen für Führer, Volk und Vaterland< mußten seine Angehörigen selbst aufkommen. Von diesem Zwischenfall erfuhr ich erst in Berlin nach meiner Rückkehr.
Für den Fal , daß ich gefaßt wurde, hatte ich ganz klare Befehle. Sie lauteten: Erstens schweigen, zweitens warten, drittens hoffen. Der dritte Punkt war eigentlich kein Befehl, sondern ein privater Zusatz meines Lehrmeisters Jürgensen. Von den eigenen Leuten gefaßte Agenten haben oft Wochen und Monate warten müssen, bis sie die Abwehr wieder herausholte. Es war ganz selten, daß einmal ein Mann dabei vergessen wurde. Aber das Nebeneinander von Abwehr, einer Wehrmachtsdienststel e, und dem
Reichssicherheitshauptamt, der Spionagezentrale der
Weitere Kostenlose Bücher