Spion Für Deutschland
und Engländer haben oft ihr ganzes System auf Frauen aufgebaut und damit große Erfolge erzielt. Wenn wir zu dieser Waffe greifen wollten, mußten wir es hinter dem Rücken Himmlers tun, stets bedroht, von ihm deswegen zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Ich stieß auf einen anglisierten Holländer, der zwölf Jahre in Amerika zugebracht hatte. Ich beobachtete ihn zwei Tage lang, bevor ich mich an ihn heranmachte. Wir tranken zusammen. Nach der zweiten Flasche hatte er seine Untauglichkeit für meinen Auftrag bewiesen. Er wollte Geld. Ich habe mein Leben lang alle Leute verachtet, die für Geld Spionage treiben. Das allerdings sind 99 Prozent aller Agenten. Auf einen Idealisten, wenn man ihn so nennen will (auf einen Narren sage ich heute), kommen 99 Lumpen. Die Leute, mit denen man bei Geheimdiensten zusammenarbeiten muß, sind oft das
abscheulichste Gesindel, das die Welt hervorgebracht hat. Dirnen, Zuhälter, Halsabschneider, Verräter und Kriminelle aller Länder und al er Delikte. Für wen sie auch arbeiten, für was sie auch arbeiten, immer sind 99 Prozent von ihnen der Abschaum der Menschheit. Ich hatte Zeit, mir über die Qualitäten meiner, wenn man so will, >Kollegen< Gedanken zu machen, als ich auf den Henker wartete. Kurz vor der Hinrichtung stirbt auch die letzte Illusion . . .
Dann brachte man mir einen jungen, überschlanken, amerikanischen
Fliegerleutnant, der mit seiner >Lightning< freiwil ig hinter den deutschen Linien gelandet war und sich zur Verwunderung al er Vernehmungsoffiziere Deutschland zur Verfügung stellen wollte. Wir erfuhren, daß sein
Gruppenkommandeur ihm die Braut weggenommen hatte. Aus Verbitterung
darüber wollte der junge Bursche jetzt auf deutscher Seite kämpfen. Seine Geschichte war uns so unglaublich erschienen, daß wir ihn lange für einen Agenten gehalten hatten. Aber schließlich überzeugten wir uns davon, daß er in einer Art Kurzschluß auf und davon geflogen war. Ich nahm ihn auf die Seite.
»Hör zu«, sagte ich, »du kannst dich jetzt an den Amis rächen. Das wil st du doch? Wir planen eine ganz große Sache.«
»Welche?« fragte er ohne besonderes Interesse.
»Das erfährst du später . . . Jedenfalls, wir fahren nach Amerika Mit prima Ausweisen und einer ganzen Menge Geld. Du brauchst keine Angst zu haben.
Wir haben unsere Erfahrungen«
»Das habe ich erlebt«, sagte er. »Und warum sind eure Leute auf den
elektrischen Stuhl gekommen, trotz eurer Erfahrungen? . .. Warum meinst du wohl, daß ich aus Amerika geflohen bin?« fragte er mich.
»Weil du die Yankees haßt«, erwiderte ich.
»Stimmt genau. Und weil ich sie hasse, gehe ich auch nicht mehr zu ihnen zurück. Al right?«
»Du wil st doch auf deutscher Seite kämpfen?« fuhr ich fort.
»Ja«, antwortete er. »Aber nicht so, wie du meinst. Nicht mit dem
Maschinengewehr. Auch nicht mit falschen Ausweisen. Gebt mir ein Mikrofon, dann halte ich euch prima Vorträge über den Rundfunk. Für meine ehemaligen Kameraden. Die haben sowieso alle die Schnauze schon voll. Aber das ist auch al es«, setzte er hinzu, »was ich für den gottverdammten Krieg noch tue.«
Ich betrachtete ihn genau. Ich merkte, daß er Angst hatte. Angst ist eine Eigenschaft, die ich damals noch nicht verstand. Ich ließ die Finger von ihm.
Aber ich geriet immer mehr in Zeitnot. U 1230 stand für mich bereit. Während es überholt wurde, fertigte man mir aus bestem Material die Maßuniform eines Marinebaurats an. Sie stand mir gut, und ich hätte sie gerne für den Rest des Krieges anbehalten. Der Auslauftermin rückte immer näher, und ich hatte immer noch keinen Kompagnon. Ein Bekannter der Abwehr rief mich an.
»Fahren Sie in das Prominentenviertel von Den Haag«, riet er mir. Er nannte mir einen bekannten Stadtteil dicht am Badestrand, den ich vom Hörensagen schon kannte. Das Viertel war für die SS reserviert. Ihre Offiziere, die sich hier erholten, ritten die Pferde des königlichen Stalls aus und sorgten dafür, daß die Schwimmbäder geheizt waren. Man lebte, wenn man Beziehungen hatte und nach Den Haag abkommandiert wurde, wie Gott in Holland.
Mitten in dieser Friedens- und Vergnügungsoase saß Billy, der Amerikaner.
Jung, satt und zufrieden. Kein Mensch wußte, was man mit ihm anfangen sol te.
Und dabei war seine Fahrkarte vom deutschen Konsul in Lissabon bezahlt.
Uly hatte keine Ahnung, wer ich war, als wir zum erstenmal
zusammenkamen. Er hielt mich wohl für einen der zahlreichen SS-Offiziere, die sich
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