Spion Für Deutschland
sie nach Amerika bringen sollten, bepackt mit Geld, mit Sprengstoff und mit guten Ratschlägen von Leuten, die nichts von ihrem Geschäft verstanden.
Ein Herr Kabbe hatte den Plan ersonnen. Er wurde der Manager. Er selbst machte nicht mit. Er zog es vor, sich am wohligen Kamin zu wärmen, als seine Leute in See stachen, sie sollten, unterstützt von amerikanischen Helfern, deren Adressen sie bei sich hatten, amerikanische Fabriken in die Luft sprengen.
Sie fuhren in zwei U-Booten in Gruppen zu je vier Mann. Die Gruppe Dasch landete in Long Island bei New York, die Gruppe Kerling irgendwo in Florida.
Die Sprengmittel trugen deutsche Aufschrift. Die in den Gürteln eingenähten Dollarscheine waren zum Teil ungültig. Die Summen stimmten nicht. Man hatte die Todeskandidaten vor der Ausreise auch noch bestohlen. Das alles konnte kein Zufal sein, keine Fahrlässigkeit. Das war Verrat.
Die beiden U-Boote kamen über den Atlantik. Zuerst landete die Gruppe Dasch.
Sie wurde von einem Küstenwächter beim Vergraben des Sprengstoffes
überrascht. Der Wächter merkte aber nicht, was hier gespielt wurde. Er ging nach Hause und schlief. Mit ihm schlief FBI, die amerikanische Abwehr. Dasch, der Anführer der bei New York gelandeten Gruppe, verriet seine Kameraden und wurde zu ihrem Mörder. Er wandte sich an die FBI, Zweigstelle New York. Man glaubte ihm nicht. Man gab seine Meldung nicht einmal weiter nach
Washington. Man lachte ihn dort aus. Erst als er 80 000 Dollar auf den Tisch legte, beschäftigte man sich mit seiner Story.
Nun erfüllte sich das Schicksal der Männer, die ausgezogen waren, um für Deutschland an der lautlosen Front zu kämpfen, das Schicksal von Hermann Neubauer, Heinrich Heinck, Richard Quirin, Werner Thiel, Herbert Haupt, Eduard John Kerling.
Sie wurden überwacht. Tagelang. Ihre Fotos lagen bei jeder Polizeidienststelle auf. Sie besuchten Verwandte, Freunde, Helfer in den Staaten. Das war ihnen streng verboten worden, aber sie waren eben Anfänger, von denen man nichts anderes erwarten durfte. So rissen sie, ohne es zu wissen und zu wol en, ihre eigenen Mütter, Väter, Brüder und Schwestern mit in den Abgrund. Die FBI führte über jeden ihrer Besuche Buch. Wer mit ihnen gesprochen hatte, ohne sie später anzuzeigen, war dran. Das ist in allen Staaten der Welt so üblich.
Die Männer des Unternehmens >Pastorius< wurden schlagartig verhaftet.
Prozeß in New York. Acht Todesurteile. Begnadigung für den Verräter Dasch, Begnadigung für Bürger, der als einziger nachweisen konnte, daß er nicht freiwillig, sondern unter Zwang nach Amerika gekommen war. Roosevelt bestätigte die Todesurteile. Sofort. Sechs Männer warteten auf den Tod.
Ich las weiter in dem Aktenbündel. Ich zwang mich dazu. Jetzt kam es, das Furchtbare, das Entsetzliche, das Unfaßbare. Ich sah die Bilder, las die Reportagen über die letzten Stunden meiner Vorgänger. Ich las, was mit amerikanischer Präzision festgehalten war, wie das Ende kam, wie sie starben, wie man ihnen die Gummimasken über die verzerrten Gesichter zog, daß nur noch Augen und Nase herausstarrten. Wie man sie auf dem Stuhl festband, wie ihnen noch einmal das Todesurteil verlesen wurde.
Man sitzt auf dem Stuhl und kann sich nicht rühren. Dann wird auf den Knopf gedrückt. Der Strom kommt. Aber jeder Körper reagiert anders darauf. Es gibt keine Norm dafür. Es kommt auf das Herz an, auf das Gewicht, auf die individuelle Reaktion der Elektrizität gegenüber. Bei dem einen geht es schnell, bei dem anderen dauert es länger. Manchmal sind drei Stromstöße erforderlich.
Ich stel te mir vor, wie sich meine Vorgänger fertig zum Sterben machten: Kerling verbissen und trotzig, Haupt völ ig gebrochen, Quirin verzweifelt, Thiel teilnahmslos. Keine Gnade. Kein Erbarmen. Kein Trost.
Auf meinem Schreibtisch lag das Bild des Autos, mit dem ihre Leichen nach der Hinrichtung weggeschafft worden waren. Die Leichen der Leute, die vor mir nach Amerika gegangen waren. Denen ich folgen sollte. Die am Verrat
gestorben waren. Am Verrat des Kameraden John Dasch.
Aber er war keineswegs der einzige Verräter. Die anderen saßen in Berlin. Bei einem Teil der Abwehr, der den anderen Teil der Abwehr bespitzelte. Die Amerikaner behaupteten, das Unternehmen >Pastorius< schon vor dem Auslaufen der U-Boote von hohen deutschen Dienststellen erfahren und mit Kaffee bezahlt zu haben. Via Schweiz.
Ich wollte meine Gedanken mit Gewalt verscheuchen. Man hatte die Verräter noch
Weitere Kostenlose Bücher