Spion Für Deutschland
hier aufhielten.
»Du bist doch Amerikaner«, sagte ich zu ihm.
»Ja«, erwiderte er. »Aber meine Mutter ist eine Deutsche. Ich betrachte mich als Deutscher. Ich will kein Amerikaner sein.«
Er sagte dies in englischer Sprache. Er konnte kein Wort Deutsch.
»Und deshalb bist du hierhergekommen?« fragte ich.
Er nickte.
»Ich hasse Amerika. Ich will es diesem arroganten Volk zeigen. Ich wil ihnen zeigen, wie weit sie mich gebracht haben.«
»Ich habe nichts dagegen«, antwortete ich.
Wir gingen miteinander aus. Man konnte Billy nie allein lassen. Es gab ständig Schwierigkeiten mit ihm. Da er nur Englisch sprach, wurde er häufig für einen Spion oder zumindest für einen abgeschossenen amerikanischen Flieger gehalten. Einmal hat ihn ein übereifriger Goldfasan verprügelt, ein anderes Mal stellten ihn drei Rotkreuzschwestern, die er angesprochen hatte, und ließen ihn von einer Wehrmachtsstreife abführen.
Ich sah ihn mir genau an. Er war ein weicher, leichtfertiger Bursche, aber man konnte viel eicht etwas aus ihm machen. Ich habe mich oft auf meine intuitive Menschenkenntnis verlassen müssen. Ich war meiner Sache sicher, daß Billys Haß auf Amerika echt war. Wenn wir von den USA sprachen, zuckte es in seinem Gesicht, ob wir nüchtern waren oder nicht.
Wir tranken oft zusammen. Billy, oder, wie er mit seinem ganzen Namen hieß, Wil iam Curtis Colepough, war einer der eifrigsten und begabtesten Trinker, die ich jemals kennengelernt habe. Ich kannte seine Lebensgeschichte aus unseren Akten. Sie war wie ein Roman, der mit einem Besenstiel geschrieben wurde.
Billy stammte aus Boston, der bekannten Hafenstadt an der Nordküste von Amerika. Sohn einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Vaters. Als Billy noch in die Kinderschule ging, brach die Ehe auseinander. Billy stand gefühlsmäßig auf seiten der Mutter, die dafür sorgte, daß er eine glänzende Erziehung erhielt. Er war ein hochbegabter Vorzugsschüler, zeichnete sich als Pfadfinder aus, wurde öffentlich geehrt, weil er unter Lebensgefahr zwei Kinder aus dem Wasser zog. Er verließ die Mittelschule mit den besten Zeugnissen ein Jahr vor der üblichen Zeit, wurde Zögling des Massachusetts Institute of Technology< und später Schüler der >Admiral Farragut School in New York und des >Grand Lakes Naval Center<. Er freundete sich 1939 nach Kriegsausbruch in Boston mit der Besatzung des deutschen Frachters >Pauline Frederik< an, der nicht mehr auslaufen konnte. Viel Worte und viel Whisky. Deutsche Blitzsiege. Viele Trinksprüche. Glaube an den Endsieg.
Billy erinnerte sich seiner halbdeutschen Abstammung. Er war stolz darauf, daß ihn die deutschen Matrosen Wilhelm nannten und ihm auf die Schulter klopften.
Bei der Geburtstagsfeier des Kapitäns der >Pauline Frederik< lernte er den deutschen Konsul Dr. Scholz aus Boston kennen. Der Konsul begriff sofort, daß sich aus Bil ys Deutschlandschwärmerei etwas machen ließ.
Billy wurde Spion und wußte es nicht. Er absolvierte mit großem Erfolg die Marineschule. Er fuhr als Fähnrich auf Konvoischiffen von Amerika nach England und berichtete jeweils unverzüglich nach Rückkehr dem eifrigen Dr.
Scholz seine Erlebnisse. Das dicke Ende kam: Man verweigerte Billy das Offizierspatent. Wegen seiner Deutschfreundlichkeit.
Der Krieg zwischen Amerika und Deutschland brach aus. Dr. Scholz fuhr nach Hause. Billy sol te sich sofort beim Heer melden. Das war für einen angehenden Marineoffizier die größte Schmach! Bil y flüchtete aus Amerika, schlug sich nach Argentinien durch und meldete sich bei der deutschen Vertretung unter Berufung auf Dr. Scholz. Man wies ihm die Türe, gab aber sicherheitshalber eine Meldung nach Deutschland durch. In der Wilhelmstraße war Bil y durch Dr.
Scholz hinlänglich empfohlen.
»Schickt den Mann sofort nach Deutschland«, wurde über den Ozean gekabelt.
Billy war verschwunden. Man mußte ihn suchen. Leute wie Bil y fand man immer in einer Seemannskneipe. Er hatte den ruppigen Empfang am deutschen
Konsulat vergessen und war sofort bereit, nach Europa zu kommen. Er ließ sich als Steward anheuern, fuhr nach New York, kam durch al e Kontrollen und verdingte sich an das Diplomatenschiff >Gripsholm< als Kartoffelschäler. Er landete in Lissabon und meldete sich bei der dortigen deutschen Gesandtschaft zum Wehrdienst. Er wurde über die Grenze geschleust.
Aber was sollte man jetzt mit ihm anfangen? In einem Verband Volksdeutscher Waffen-SS erhielt er die Grundausbildung.
Weitere Kostenlose Bücher