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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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mir

    am 15. April, nach sechsundneunzig Stunden also, der Henker
    zwischen fünf und sieben Uhr den Strick um den Hals legen
    wird. 13 Stufen und 13 Knoten, wie es das Protokoll des Todes erfordert.
    Gewöhnlich erfährt man es vierundzwanzig Stunden vor der Hinrichtung. Der Staat ist verpflichtet, den Delinquenten das Ende erst am Tage vor dem Ende wissen zu lassen. Ein mitleidiger Sergeant hat es mir schon drei Tage vor der Zeit verraten.
    Die Zeit vergeht zuerst ganz langsam. Und am Schluß viel zu schnell. Viel, viel zu schnell. Man möchte sie aufhalten. Man möchte gegen die Wände trommeln.
    Man möchte die Eisengitter herausbrechen. Man möchte weinen und — man lacht. Falsch und rauh und verlogen. Es ist kein Lachen. Es ist ein Grinsen.
    Ich habe noch vier Tage Zeit. Zu kurz, um zu leben, und zu lange, um zu sterben. Der Sergeant bringt mir Kaffee und Weißbrot. Man läßt es mir an nichts fehlen. Ich genieße sogar so etwas wie Sympathien. Gewöhnlich hängt man nur Mörder. Aber im Krieg sind die Maßstäbe verschoben.
    »Hören Sie, Gimpel«, sagt der Sergeant. »Sie wissen ja, was los ist. Es bleibt Ihnen nicht mehr viel. Wollen Sie nicht den Pfarrer sprechen Ich kann Ihnen das vermitteln.«
    »Ich will keinen Pfarrer sehen«, erwidere ich. Ich stel e mir vor, daß ein Mann in schwarzer Kleidung in die Zelle kommt, mit leiser Stimme auf mich einredet und dann das Gefängnis verläßt und an der Kaffeetafel von mir erzählt. Ein Schatten des Todes, so erschien er mir, der Mann in Schwarz. Die letzte Stufe der Zivilisation vor dem Strick.
    »Das ist kein richtiger Pfarrer«, erklärt der Sergeant. »Ein Captain. Ein Offizier.
    Er hat nur ein Kreuz an seiner Mütze und an seinem Kragenspiegel. Er ist ein feiner Kerl. Sprechen Sie mit ihm! Schaden wird es Ihnen bestimmt nicht.«
    Er kommt. Er begrüßt mich so unbefangen wie nur möglich. Er gibt mir die Hand und sieht mich dabei an. Was für ein Pfarrer! Wie burschikos, wie fröhlich, wie kameradschaftlich! Er setzt sich auf meine Pritsche. Wir rauchen. Er schlägt die Beine übereinander und lächelt mich an. Es ist nicht scheu, sein Lächeln, nicht so scheu wie das der anderen, der vielen, der hohen Offiziere, die mich täglich besuchen.
    Wir rauchen schweigend.
    »Haben Sie keine Angst!« sagt er zu mir. »Ich werde Ihnen keine Predigt halten.
    Predigten sind schlecht. Und Ihnen würde auch keine mehr helfen.« Er nickt und lächelt mich wieder an.Er lehnt sich zurück an die Wand. »Lesen Sie das Alte Testament!« sagt er, »da haben Sie eigentlich alles, was Ihnen fehlt: Sex und Crime, Krieg und Frieden. Es gibt keine spannendere Story als die Bibel.«
    »Ich habe sie lange nicht mehr gelesen«, antworte ich.
    »Das war falsch«, entgegnet er. Er steht auf. »Ich komme morgen wieder«, verabschiedet er sich, »wenn es Ihnen recht ist.«
    Er geht. Mir bleiben noch drei Tage zum Leben . . .
    Das Unternehmen >Pelikan< war, wie gesagt, geplatzt. Wie es beim Amt VI üblich war, wurde ich sofort an eine andere Sache gesetzt. In Amerika sah es schlimm aus. Das ganze Agentennetz war erst während des Krieges notdürftig aufgebaut worden. Das Auswärtige Amt hatte aus politischen Gründen darauf verzichtet, schon im Frieden in sozusagen beschaulicher Ruhe seine
    Vorbereitungen zu treffen. Man fürchtete die Kompromittierung und ging ihr deshalb schon von vornherein aus dem Weg. Erst kurz vor Kriegsausbruch intensivierte man die Agententätigkeit in den Staaten. Aber man arbeitete zuviel mit Dilettanten und zuwenig mit Fachleuten. Für den größten Teil der Spionagetätigkeit zeichneten die Auslandsorganisationen der NSDAP
    verantwortlich. Sie war entsprechend. Man setzte harmlose Kegelbrüder, Trachtenvereinler und Schützenkönige deutscher Herkunft unter Druck und versuchte sie zu überreden, zugunsten ihrer früheren Heimat gegen ihr jetziges Vaterland zu arbeiten. Das ist in vielen Fällen gelungen, aber die Informationen, die wir bekamen, waren meistens wertlos.
    Die Luftwaffe zog ein relativ brauchbares Agentennetz in Nordamerika auf. Es wurde kurz vor dem Kriegseintritt von der FBI schlagartig ausgehoben. Wir saßen plötzlich ohne Agenten bei unserem Hauptkriegsgegner da. Wir wußten von den Amerikanern gar nichts. Wir hatten keine Produktionsziffern. Wir wußten nichts über ihre Rüstung, über den Ausbildungsstand ihrer Armee, über ihre Reserven, nicht einmal etwas über die Kriegsmoral. Der Dilettantismus des Hitler blind ergebenen Auswärtigen

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