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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Aber er sprach kein Wort Deutsch und erwies sich als ein unmöglicher Soldat.
    So kam Bil y nach Den Haag. Daß ihn die FBI als Fahnenflüchtigen suchte, wußten wir längst. Bil ys Lebensgeschichte war in allen Einzelheiten nachgeprüft. Sie stimmte. Sie war die Legitimation seiner Zuverlässigkeit. Ein paar Punkte gefielen mir nicht, aber die Zeit ließ mir keine Wahl.
    »Jetzt wird es ernst, Bil y«, sagte ich zu ihm. »Du mußt mit nach Berlin.«
    »Das geht nicht«, erwiderte er. »Ich kann Trujs nicht allein lassen.«
    »Wer ist Trujs?« fragte ich ihn.
    »Meine Braut.«
    Das Mädchen paßte nicht in mein Programm. Ich beobachtete sie. Sie war hel blond und mollig, und sie machte allen Männern schöne Augen. Man mußte Billy von ihr trennen. Das würde nicht schwer sein.
    »Sorgt dafür«, sagte ich zu meinen Vertrauensleuten, »daß das Mädchen in andere Gesellschaft kommt. Und seid dahinter her, daß Bil y in den richtigen Zug steigt.«
    Es klappte. Trujs wechselte zu einem jungen SS-Offizier, und Billy kam acht Tage später nach Berlin.
    Ich trat meine Rückreise aus Den Haag am 20. Juli 1944 an. Am Tag des Aufstandes gegen Hitler. Aber davon wußte offiziell noch niemand etwas. Ich mußte mein Schlafwagenabteil mit einem Oberst der Wehrmacht teilen. Ich stellte mich vor. Er erwiderte mürrisch:
    »Ausgerechnet ein Zivilist. Da werden wir schöne Scherereien an der Grenze haben.«
    »Vielleicht können Sie etwas für mich tun, Herr Oberst«, sagte ich.
    »Mal sehen«, knurrte er.
    An der Grenze ließen sie mich ungeschoren. Den Oberst bat man höflich, aber bestimmt, zur Kontrolle auf den Bahnhof.

    »Lassen Sie den Oberst weiterschlafen«, sagte ich.
    Jetzt ließ die Streife auch ihn unbehelligt. Mein Ausweis war ein Passepartout, selbst noch am 20. Juli 1944.
    Mein Amerika-Auftrag, das Unternehmen >Elster<, war sozusagen geheimste Kommandosache. Aber es gab wohl niemanden beim Amt VI, der nicht davon wußte. Es sprachen nur wenige mit mir darüber, aber al e, denen ich begegnete, musterten mich mit scheuen, mitleidigen oder verwunderten Blicken. Sie konnten nicht begreifen, warum ich die Sache übernahm.
    Warum habe ich sie übernommen? Mir mußte längst klar sein, daß der Krieg verloren war. Aber ich weigerte mich ganz einfach mit der Hartnäckigkeit eines verstockten Kindes, diese Tatsache hinzunehmen. Mein Bruder ist in Stalingrad gefallen. Mein Vater ist im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet worden. Meinem Freund wurden beide Beine weggeschossen, meine Kusine wurde von einer Bombe erschlagen. Jede Woche fiel einer meiner Bekannten. Ich hielt es für meine Pflicht, den Weg zu gehen, den al e gingen, ob sie wollten oder nicht. Ob sie mußten oder nicht. Ich wurde gewarnt, bemitleidet, verspottet. Aber es stand für mich von vornherein fest, daß ich an Bord von U 1230 gehen würde.
    Jetzt erst erfuhr ich die genauen Einzelheiten meines Auftrages. Man wol te wissen, ob auf Berlin, auf München, auf Hamburg, auf Breslau, auf Köln Atombomben oder weiterhin >nur gewöhnliche Sprengbomben< fallen würden.
    Man gab mir theoretischen Atomunterricht. Man malte ein Gespenst an die Wand, vor dessen Schemen jeder erschauderte. Und man sagte mir, daß ich —
    der Agent 146 und Radioingenieur Erich Gimpel — der einzige Mann sei, der diesem Gespenst noch begegnen könne. Ich war ein Held auf Vorschuß. Ich gewöhnte mich schnell an diese meine Rol e.
    Und dann landete ein dickes Aktenbündel auf meinem Schreibtisch. Notizen, Fernschreiben, Zeitungsausschnitte, ein Rechtfertigungsbericht. Der Fall
    >Pastorius<. Eine der größten Pannen der deutschen Abwehr. Eine der niedrigsten Gemeinheiten, die der letzte Krieg zu bieten hatte.
    Ich las den Akt durch, Seite für Seite; ich wollte aus ihm lernen. Vor meinen Augen tanzten die Buchstaben. Über diesem Aktenstück konnte man verrückt werden.
    Der Fal >Pastorius< war von Dilettanten ersonnen und von Dilettanten ausgeführt. Er kostete sechs Menschenleben. Als die Abwehr wider Willen den Fall >Pastorius< übernahm, war ich gerade in ihrer Ausbildung. Ich sah sie noch vor mir, die Leute, die nach Amerika gingen. Freiwillig. Den blutjungen Herbert Haupt, dessen Goldzähne glitzerten, wenn er lächelte, und der immer traurige Augen bekam, wenn man von seinen Eltern sprach; den massiven John Kerling, den Draufgänger, den hübschen Hermann Neubauer, der so gut wußte, wie man mit Frauen umging. Ich sah sie vor mir, wie sie lachend an Bord der beiden U-Boote gingen, die

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