Spion Für Deutschland
Amerika gehen. Es stand schon bereit. Das Unternehmen >Elster< hat schon begonnen.
Der >Führer< starrte mich mit glanzlosen Augen aus dunkelbraunem, viereckigem Holzrahmen an. Das Zimmer roch nach Farbe. Es war eben frisch geweißt worden. Der Ventilator surrte leise. Dr. S. spielte unruhig mit der Schreibunterlage. Ich saß ihm gegenüber. Es war vormittags zehn Uhr. Meine Zeit in Deutschland war abgelaufen. Ich hatte den Amerika-Auftrag
auszuführen. Ich sah von dem kerzengeraden Scheitel des >Führers< hinweg auf die Straße, auf der Frauen gingen, gezeichnet von den Bomben, vom Weinen, vom Warten. Sie al e, die Namenlosen, die Gebeugten, die Gequälten, die Gebrochenen, die Gierigen, hatten ihr Schicksal — und sie waren jetzt unterwegs nach 65 Gramm Quark auf Abschnitt VII/3 oder nach einem halben Pfund Äpfel, Sonderaufruf II/1. Ich hatte mich nicht um ihr Schicksal zu kümmern. Ich hatte den Amerika-Auftrag auszuführen.
Vor ein paar Wochen war ich noch in Spanien gewesen. Sonne. Mittelmeer.
Friede. Glutäugige Frauen. Agentenkrieg beim Whisky in der Bar. Tanz. Ich hatte Bekannte, Freunde, Kameraden getroffen: Sie al e schickten sich an, das sinkende Schiff zu verlassen. Sie rüsteten ihr Fluchtgepäck. Sie hatten falsche Pässe mit neuen Namen. Sie hatten Dol ars und Schweizer Franken und keinerlei Hemmungen, über ihre Zukunftsplane zu sprechen. Was ging es mich an? Ich hatte den Amerika-Auftrag auszuführen.
»Glauben Sie mir«, sagte Dr. S., »ich hätte es Ihnen wirklich gerne erspart. Aber wir haben keinen, der so gut Amerikanisch spricht, und vor allem keinen, auf den wir uns verlassen können ... Sie werden also unbedingt mit dem U-Boot fahren?« »Ja«, erwiderte ich.
Er stand auf und lief mit ruckartigen Schritten durch das Zimmer. Er war blaß und ging ein ganz klein wenig gebeugt. Man sah es ihm an, daß er Sorgen hatte.
»Ich bin nicht sehr dafür«, sagte er, »aber schließlich ist es Ihre Sache.« Er blieb stehen. »Sie wissen, daß sechs Ihrer Vorgänger auf dem elektrischen Stuhl endeten?« »Das weiß ich«, entgegnete ich. Er zuckte mit den Schultern.
»Natürlich wäre es das sicherste«, fuhr ich fort, »zu Hause zu bleiben.«
Er nickte, lächelte einen Augenblick.
»Natürlich haben Sie recht«, sagte er. »Also, wie stellen Sie sich Ihre Sache vor?«
»Ich habe eine Bedingung.« »Bedingung?«
»Ja. Ich brauche einen reinrassigen Amerikaner, einen echten, keinen dahergelaufenen. Verstehen Sie mich? Er muß die neuesten Tanzschritte und Schlager kennen, er muß wissen, wie weit man die Hosen trägt und wie kurz man sich die Haare schneiden läßt. Er muß sich genau im Basebal auskennen und den ganzen Hollywood-Tratsch im Kopf haben. Dieser Mann muß mich begleiten, so lange wenigstens, bis ich mich assimiliert habe.«
»Haben Sie einen solchen Mann in Aussicht?« fragte mich Dr. S.
»Das macht mir Sorge«, antwortete ich. »Ich habe keine Ahnung, wo ich ihn herbekommen soll.« »Wir werden ihn suchen«, erwiderte S. Ich war für heute verabschiedet.
Die Fahndung nach meinem Assistenten war ebenso abenteuerlich wie
unfreiwillig komisch. Ich mußte 1944 einen Amerikaner suchen, der bereit war, gegen sein eigenes Vaterland anzutreten und der dabei tapfer, klug und ehrlich sein sollte. Denn wenn er sich später im Feindesland als unzuverlässig herausstel te, wurde er zwangsläufig zu meinem Henker. Ich genoß den Vorzug, mir meinen zukünftigen Henker selbst auswählen zu dürfen. Nur schnell mußte es gehen.
Wir durchkämmten die Kriegsgefangenenlager. Wir betrachteten uns die abgeschossenen amerikanischen Flieger. Es waren junge, prächtige,
optimistische Burschen, die das miserable Essen mit guter Laune
kompensierten und Amerika für den Nabel der Welt hielten.
Es fiel uns der Fall des deutschen Fliegers Söldner ein, der von einer als Rotkreuzschwester getarnten britischen Agentin dazu überredet worden war, gegen Deutschland Spionage zu treiben. Wir versuchten nun, unseren Fal Söldner zu schaffen. Wir brachten Frauen an Kriegsgefangene heran, die wir aus einem größeren Kreis sorgfältig ausgewählt hatten. Aber wir hatten Pech. Die Vaterlandsliebe unserer Kandidatinnen war stärker als ihr Liebesbedürfnis.
Außerdem wollte Himmler die Frauen am Kochtopf sehen und nicht im
Agentenkrieg eingesetzt wissen. Er konnte mit seiner spießigen Fantasie nicht begreifen, wie wichtig Frauen an der gemeinsten Front, die es gibt, im Krieg der Agenten, waren. Die Russen
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