Spion Für Deutschland
beschreiben konnte. Wir hatten ein Doppelzimmer. Wir schliefen bis Mittag. Es wäre richtiger gewesen, in verschiedenen Hotels zu wohnen. Aber ich mußte aufpassen, daß Bil y in Boston keine Dummheiten machte. Wir aßen in einem billigen Massenrestaurant.
Danach gingen wir in ein Warenhaus in der Nähe des Bahnhofs. Ich kaufte mir gleich zwei Hüte. Wir erstanden dicke Wintermäntel. Meinen Trenchcoat hatte ich nur ein einziges Mal noch an: in New York. Ich war in einen Laden gegangen, um mir eine Krawatte zu kaufen.
Der Verkäufer deutete auf meinen Mantel.
»Der ist aber nicht aus den Staaten«, sagte er.
»Wieso?« erwiderte ich.
»Ich sehe das sofort an Stoff und Schnitt.«
»Sie haben recht«, erklärte ich. »Der Mantel stammt aus Spanien.« An diesem Tag trennte ich mich endgültig von ihm.
Wir gingen in das >Essex< zurück und legten uns mit Hut und Mantel in das Bett, damit die Kleidungsstücke nicht mehr so neu aussahen. Ich hatte einmal gelesen, daß der (damalige) britische Außenminister Eden auf diese Weise seinen Anzügen das Unfeine des Tipptopp-Neuen nimmt — das kam mir jetzt zustatten. Am nächsten Tag wollten wir nach New York Weiterreisen. Nachts fühlten wir uns in Boston sicherer als im Eisenbahnabteil. Um zehn Uhr grinsten uns die Tapeten an. Unser Zimmer war nicht das vornehmste. Ich wollte es zuerst nicht verlassen. Aber dann erschien es mir falsch, mich zu isolieren. Ich mußte unter die Leute, um mich zu akklimatisieren. Ich mußte mit den Leuten sprechen, um meine Hemmungen zu verlieren. Mein Englisch hatte einen kleinen Akzent. Keinen deutschen, eher schon einen skandinavischen. Aber wie viele Amerikaner gibt es schon — von den dort geborenen abgesehen —, die akzentfrei die englische Sprache beherrschen?
Ich mußte dahin gehen, wo man mich am wenigsten erwartete — wenn man mich erwartete. Ich entschloß mich für die Nachtbar >The Carousek<.
Die Bar drehte sich nebst Barschemel und den daraufsitzenden Gästen um ihre eigene Achse. Nur die Kellner, in der Mitte der Theke, standen fest auf ihren eigenen Beinen. Es gab echten schottischen Whisky. Die Flaschen waren bestimmt sicherer über den Atlantik gekommen als ich mit U 1230. Eine fünfköpfige Kapelle spielte >hot< und >sweet< — je nach Wunsch. Die Wünsche kosteten nichts.
Wir tranken. Die Spannung löste sich. Aber sooft neue Gäste durch die Tür kamen, war sie wieder da. Wußten wir denn, ob wir keinen Bekannten Bil ys begegneten? Zwar war Colepough vier, fünf Jahre nicht mehr hier gewesen, aber ist das Leben eines Agenten nicht ein ständiger Kampf mit dem tödlichen Zufal ?
Eine überblonde Sängerin produzierte sich in einem schreiend lila Abendkleid.
Sie rauchte, auch, während sie sang, aus einer riesigen Zigarettenspitze. Bil y stürzte sich sofort auf sie. Ohne ein auch nur angedeutetes Zögern nahm sie zwischen uns an der Theke Platz.
»Ihr seid nicht von hier?« fragte sie.
»Nein«, erwiderte Bil y.
»Wer ist denn das da?« fragte sie und deutete auf mich.
»Ein Freund.«
»Schweigsame Freunde hast du.« Sie drehte sich zu mir herum. »Wie heißt du?«
»Edward.«
»Ich habe schon hübschere Namen gehört. Aber du gefällst mir. Gehen wir tanzen?«
»Hier tanzt doch niemand«, sagte ich.
»Aber im Nebenraum«, entgegnete sie.
Die Musik wurde mit einem Lautsprecher übertragen. Elly schmiegte sich eng an mich. Sie verstand jedes Wort, das ich sagte. Sie fragte nicht weiter, woher ich kam und nicht, wohin ich wollte.
Der Ober brachte Champagner. Wir stießen mit den Gläsern an. Es klang hel und fröhlich. Der Champagner war vom Reichssicherheitshauptamt bezahlt. Er schmeckte trotzdem. Ich sah auf die Uhr. Ich hatte noch ein paar Stunden Zeit.
Morgen um neun Uhr zwei ging mein Zug. Der Zug, der mich nach New York brachte, nach der Stadt, in der ich meinen ersten Auftrag zu erfüllen hatte.
Aber noch war die Flasche Pommery halb voll . . .
New York empfing uns mit der Gelassenheit einer Weltstadt. Es wimmelte von Soldaten, die in den nächsten Tagen nach Übersee verschifft werden sollten und sich hier noch einmal mit ihren Angehörigen trafen. Deshalb wurde die Zimmersuche zur Strapaze. Billy und ich kamen in der Grand-Central-Station an. Wir gaben unser Gepäck zur Aufbewahrung und versuchten unser Glück.
Nach zwei Stunden konnten wir ein dürftiges Doppelzimmer im >Kennmore-HaI < in der 33. Straße mieten. Die 33. Straße liegt in Manhattan. Ich ging achtlos an den Wolkenkratzern
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