Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
konnte.
    Der Mann ging ganz langsam, ganz nahe an mich heran. Es kroch mir langsam den Rücken hoch — der Verdacht, die Erregung, das Entsetzen. Ich blickte starr in die Auslage. Er war jetzt vielleicht noch einen Meter von mir entfernt. Wie, wenn einer der von mir besuchten Radiohändler Verdacht geschöpft und mir den Mann nachgeschickt hatte? Der Mann mit dem gutmütigen, ein wenig aufgedunsenen Gesicht sah keineswegs wie ein gewitzter Agentenfänger aus.
    Aber hat nicht oft durch einen Zufal der dümmste Polizist den gerissensten Spion gefaßt?
    Er stellte sich neben mich. An der rechten Seite trug er einen riesigen Colt, der den Gürtel nach unten zog. Er schob seine Mütze etwas nach hinten, deutete mit seinem >stik< auf einen Rundfunkempfänger und sagte:
    »A very nice radio.«
    »Ja«, erwiderte ich, »ein sehr schönes Gerät.«
    »Ob es etwas taugt?« fragte er weiter.
    »Das kann man nie nach dem Aussehen beurteilen«, entgegnete ich.
    Er brachte seine Mütze wieder auf vorschriftsmäßigen Sitz.
    »Vielleicht kaufe ich mir das Radio zu Weihnachten«, sagte er und schlenderte langsam weiter, »mal sehen, was meine Frau dazu sagt.«
    Ich erteilte meinen Nerven eine Rüge.
    Ich wartete, bis er verschwunden war, und nahm ein Taxi. Dieser Tag hatte noch einige Überraschungen für mich bereit. Ich wechselte von der 12. Avenue in die 50. Straße. Am Pier 88 lag halb versenkt die >Normandie<, ein luxuriöser Ozeanriese. Das Schiff war 1941 von deutschen Saboteuren in Brand gesetzt worden.
    Wir fuhren weiter. Durch New York zu fahren ist kein Vergnügen. Alle hundert, zweihundert Meter muß man halten. Ich wollte gerade den Taxifahrer bitten, zu stoppen, da passierte es: An der Kreuzung, ich glaube auf Höhe der 28. Straße, schaltete die Ampel auf Grün. Der Fahrer, ein etwa fünfzig Jahre alter, kleiner, untersetzter Mann, gab ruckartig Gas und fuhr mit einem Satz los. Im gleichen Augenblick lief ihm eine Fußgängerin, die den Signalwechsel nicht beachtet hatte, in den Wagen. Der Fahrer bremste und wich nach links aus. Er streifte mit dem rechten Kotflügel die Passantin, trat sofort die Bremse durch, es quietschte, der Wagen stand quer. Die Fußgängerin wurde von der Wucht des Aufpral s gegen den Gehsteig geschleudert. Sie blieb bewußtlos liegen. Es sah fürchterlich aus.
    Der Fahrer war vor Aufregung grün im Gesicht geworden. Er drehte sich nach mir um und sagte stotternd:
    »Sie haben das gesehen, Sir. Ich bin unschuldig. Die Frau ist mir direkt in den Wagen gelaufen. Ich habe al es getan, um zu verhindern, daß ich sie anfahre.«
    »Ja«, erwiderte ich.
    Es bildete sich ein Auflauf. Der Fahrer fuhr rechts an den Gehsteig heran. Immer mehr Leute kamen auf die Unfallstel e zu. Ein junger Mann zog seine Jacke aus und legte sie der Verunglückten unter den Kopf. Zwei Polizisten kamen heran.
    Die Straße wurde gesperrt. Der Auflauf vergrößerte sich von Sekunde zu Sekunde.
    Los! sagte ich mir, los! Ein kleines Zögern bedeutete die Registrierung als Zeuge durch die Polizei. Man würde meinen Ausweis, meine Personalien überprüfen.
    Man würde auf meinen Akzent stoßen. Man würde Fragen stellen, gefährliche Fragen. Ich ging die ersten paar Meter langsam. Als ich mich aus dem Kordon der Neugierigen gelöst hatte, lief ich, so schnell ich konnte. Eine Frau bemerkte mich zuerst. Sie hielt mich für den Fahrer und nahm an, daß ich davonlaufen wol te.
    »Das ist er«, schrie sie schrill, »haltet ihn fest!«
    Hinter mir die Trillerpfeife! Passanten schrien durcheinander. Ein Mann stellte sich mir in den Weg. Ich lief auf ihn zu und stieß ihn mit dem Ellbogen beiseite.
    Wäre es besser gewesen, an der Unfallstel e zu bleiben, als am hellen Tag im Laufschritt durch New York zu eilen und Passanten umzurempeln?
    Ich war jetzt vielleicht vier-, fünfhundert Meter von der Unglücksstelle entfernt.
    Ich bog in eine Querstraße ein, ging nach links, nach rechts, wieder nach links, fand ein Taxi, wechselte es, ging in ein Warenhaus, kaufte Zitronen, eine Armbanduhr, einen neuen Hut, aß Steaks.
    Niemand war hinter mir. Ich bin noch einmal davongekommen . . .
    Ich ging vorsichtig zu meinem Hotel zurück. Billy war nicht da. Auf meinem Bett lag ein Zettel:
    »Bin noch einen trinken gegangen. Hoffentlich hast Du nichts dagegen! In zwei Stunden bin ich zurück.«
    Ich legte mich auf mein Bett. Meine Senderteile hatte ich zusammen. Ich stand auf und dechiffrierte die Adresse eines New Yorker Geschäftsmanns, der mich

Weitere Kostenlose Bücher