Spion Für Deutschland
von der FBI angefertigte Protokol in allen Einzelheiten fest.
»Es tut uns leid, Sir«, sagte einer der Männer, »wir finden Ihr Gepäck nicht.
Bitte, kommen Sie zum Aufsichtsbeamten! Wir müssen ein Protokol
aufnehmen.«
»Ich habe die Koffer vor knapp drei Stunden aufgegeben!« erwiderte der junge Mann — Bil y Colepough. »Sie müssen hier sein.«
Hinter ihnen stauten sich die Reisenden, die ihre Koffer holen wollten. Sie wurden schon ungeduldig. Bil y stand fassungslos an der Rampe. Völlig verstört ließ er sich zum Aufsichtsbeamten führen. Er hatte noch nicht begriffen, daß ich ihm die gestohlenen Koffer wieder abgejagt hatte.
»Ihre Koffer wurden vor zwanzig Minuten abgeholt«, sagte der Beamte. »Von einem Herrn Green, Edward Green. Der Mann hat uns erzählt, daß er den Gepäckschein verloren hat. Er besaß die Schlüssel und konnte genau angeben, was in den Koffern war . .. Tut mir wirklich leid, Sir. Wir haben vielleicht etwas zu großzügig, aber auf jeden Fal korrekt gehandelt. Wie kommt es, daß der Mann Ihre Schlüssel hatte?«
Fassungslos, erstarrt, entsetzt stand Billy da, unfähig, sich zu regen, unfähig, zu sprechen.
»Ich rufe die Polizei«, sagte der Aufsichtsbeamte.
»Lassen Sie!« entgegnete Bil y. »Ich mache keine Anzeige. Die Sache klärt sich auf.«
»Na, das ist aber eine merkwürdige Geschichte. Wie Sie wollen.«
»Eine blödsinnige Wette«, erwiderte Bil y.
Er ging in die Stadt zurück. In die Weltstadt New York. Al ein. Ausgesetzt. Ohne Geld. Ohne Freund. Ohne Kameraden. Ohne einen Menschen, mit dem er
sprechen konnte. Als er mir die Koffer gestohlen hatte, war mein Schicksal besiegelt. Dadurch, daß ich sie wiedererhielt, war der Stab über ihn gebrochen.
Fünf, sechs Stunden lang ging er durch die Stadt, irr vor Angst, starr vor Entsetzen, zitternd vor Grauen. Und er suchte einen Menschen, mit dem er sich aussprechen konnte, einen Mann, den er kannte, einen Freund . . .
Ich lag indessen auf dem überbreiten Sofa meiner neuen Wohnung, las in wohliger Wärme, satt, zufrieden und glücklich, in Ruhe die Mordgeschichte vom Hudson-River. Die Musik spielte sentimentale Tanzweisen. Glenn Miller, glaube ich. Die Lampen gaben schönes, indirektes Licht, das Augen und Nerven gut tat.
Die Vorhänge hatte ich zugezogen. Ich war allein und froh darüber, daß ich al ein war.
Ich malte mir Billys Schicksal in al en Einzelheiten aus. Er tat mir leid. Zur Polizei konnte er nicht gehen. Wie lange würde er sich halten, bis sie ihn faßten?
Dreitausend Dollar hatte er viel eicht noch bei sich. Wenn er vorsichtig und gerissen wäre, könnte er damit untertauchen! Aber ich wußte genau, daß Billy weder das eine noch das andere war. Bis sie ihn faßten, konnte ich in Ruhe arbeiten. Dann aber war es aus. Darüber war ich mir im klaren. Zwei, drei Tage würde er vielleicht dichthalten. Viel eicht! Wenn er mich aus Rache über die geglückte Kofferrevanche nicht gleich verfolgen ließ . . .
In diesem Augenblick starb Edward Green. Ich stand auf, holte aus der Brieftasche meine Ausweise hervor, ging in die Küche und verbrannte sie. Ich hatte noch genügend andere Namen und Berufe.
Morgen würde ich zu Mr. Brown gehen, dem V-Mann der deutschen Abwehr.
Morgen, übermorgen, würde ich vielleicht schon mit den Atomleuten
zusammenkommen können. Wenn nur Billy bis dahin nicht gefaßt wurde! Sollte ich ihn suchen? Ich müßte ihn erschießen, überlegte ich mir. Es ist kein Verlaß auf ihn, und er hat mich zuerst zum Tode verurteilt. Wenn ich ihn faßte, dürfte ich keine Gnade kennen. Jedes Kriegsgericht der Welt würde mein Urteil bestätigen . . .
Ich wischte die Gedanken weg. Zu viele Kriminalromane gelesen ! Ich angelte mir aus dem Schrank ein Buch, legte es wieder weg. Ich fand eine Flasche Bourbon und goß mir einen Whisky ein.
Ich legte mich wieder wohlig auf die Couch. Feierabend für heute. Herrlich. Die Musik war zu Ende. Nachrichten. Meldungen von den Kriegsschauplätzen. Es stand schlecht um Deutschland. Aber sicher waren die Berichte gefärbt. Ich wol te einfach nicht glauben, daß der Krieg bereits verloren war, obwohl es alle Welt, einschließlich mir, wußte.
»One hour at Paris«, sagte die Stimme aus dem Äther. Eine Musette-Kapelle spielte. Ich genoß die Musik wie die Wärme, die Wohligkeit, die Wohnung, den Whisky . . .
Auf einmal war es vorbei mit der Behaglichkeit. Nerven? Sinnestäuschung? Nein!
Geräusche. Schritte. Schritte an der Tür. Ein
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