Spion Für Deutschland
amerikanische Geheimdienst kennt da keine Feinheiten. Wer einmal gegen Amerika gearbeitet hat, den holt der Teufel. Das brauche ich Ihnen nicht erst zu erzählen.«
Er nickte.
»Ich habe Familie«, sagte er, »ich habe mir eine Existenz aufgebaut. Der Krieg ist für Deutschland verloren. Bei Gott, ich hätte nichts dagegen gehabt, daß ihr ihn gewinnt. Ich hasse Amerika. Zehn, fünfzehn Jahre lang habe ich Teller gewaschen, bin von jedem Polizisten herumgestoßen worden. Zehn Jahre lang hat mir jeder auf die Schulter geklopft und >schmutziger Bastard< zu mir gesagt.«
»Aber jetzt haben Sie ein Maklerbüro«, erwiderte ich, »und eine hübsche Sekretärin. Und das al es haben Sie für das Geld bekommen, das aus Berlin kam.«
Ich ging auf das Fenster zu, sah auf die Straße und drehte mich nach Brown um.
»Ich gebe Ihnen eine Chance«, sagte ich. »Ich besuche Sie nur noch ein einziges Mal, wenn Sie mir sagen, was ich wissen will. Wenn Sie mich mit Leuten zusammenbringen, die ich kennenlernen möchte, dann sind Sie frei. Sie sind dann für uns gestorben. Ganz egal, wie alles weiterläuft.«
Er tat mir leid. Mein Besuch mußte ihn furchtbar treffen. Aber ich durfte kein Mitleid mit ihm haben. Wer hatte schon Mitleid mit mir? Wer einmal die Straße des Teufels beschritten hat, muß auf ihr weitermarschieren, ob er wil oder nicht.
»Was wollen Sie wissen?« fragte Brown.
»Alles über das Manhattan-Projekt«, antwortete ich.
Er hörte es nicht zum erstenmal. Er begriff sofort.
»Morgen«, erwiderte er. »Und dann ist Schluß.«
»Dann ist Schluß«, versicherte ich.
Ich wollte schon gehen, da sagte er zu mir:
»Haben Sie Geld?«
»Eine ganze Menge.«
»Nehmen Sie einen guten Rat an?«
»Den kann man immer brauchen.«
»Mensch«, sagte er, »hauen Sie ab nach Südamerika, so schnell Sie Ihre Füße tragen! Sie laufen ja mit offenen Augen in das Unglück. Jetzt noch für Deutschland arbeiten . . . Nur Verrückte tun so etwas.«
»Sie und ich sind eben Narren«, entgegnete ich ihm. »Damit müssen Sie sich vorläufig abfinden.«
Die Rothaarige war verschwunden. Das paßte mir ausgezeichnet. Ich entfernte mich mit al er Vorsicht. Ich hatte keine Angst vor Brown. Mir war klar: Er fürchtete mich. Er war alt und fett geworden. Alte und fette Agenten taugen nicht mehr viel für das schmutzige Handwerk. Aber sie kennen wenigstens die Spielregeln. Er würde dichthalten. Und er würde sich durch neue Informationen loskaufen.
Selbstverständlich hatte die amerikanische Abwehr alles menschenmögliche getan, um das Atomprojekt geheimzuhalten. Das war unmöglich! Es war, so seltsam es klingen mag, spielend einfach, sich an die >Hiroshima-Bombe< heranzuarbeiten. Ich wußte, daß man zur Herstellung dieses teuflischen Vernichtungsmittels Uran benötigte. Uran konnte man im nördlichen Kanada gewinnen. Aber es war ein mühseliges Geschäft, und es mußten Hunderte und Tausende von Spezialarbeitern eingesetzt werden. So etwas läßt sich niemals geheimhalten. Einem gelernten Agenten wie Mr. Brown — dessen richtigen Namen ich niemals kennenlernte — konnte es keine Schwierigkeiten bereiten, sich wenigstens Rohinformationen zu verschaffen.
Ich brauchte zunächst nichts zu machen, als zu warten. Von Billy nach wie vor keine Spur. Die Luft war seltsamerweise immer noch rein. Ich verdoppelte meine Aufmerksamkeit und beachtete um so angestrengter meine Umgebung, je sorgloser sie mir erschien.
Es verfolgte mich kein FBI-Agent. Der amerikanische Weihnachtsmann, Santa Claus, folgte mir auf Schritt und Tritt, über den Lautsprecher, im Radio, in den Anlagen, mit Neonröhren, durch Reklame jeder Art. Es schien mir, als hätte sich in Amerika der Weihnachtsmann zum gleichen Zeitpunkt auf >Frieden< umgestellt, da man in Deutschland unter kahlen Tannenbäumen das
trostloseste >Fest des Friedens< feierte.
Ich dachte an Margarete. Und ich ertränkte meine Melancholie im Whisky. Ich kam mir vor wie ein achtzigjähriger Greis, der im Rol stuhl meditiert, was er al es anders machen würde, fal s er noch einmal jung würde . . .
Die nächsten beiden Tage gingen ohne besondere Ereignisse vorbei. Joan, die Genossin meiner Wohnung, brachte mich auf andere Gedanken. Ich war schon sehr perfekt geworden im Abtrocknen. Was für eine Sensation: >Letzter deutscher Agent hilft in der Küche mit umgebundener Schürze Feindmädchen bei der Vertilgung alli erter Lebensmitteln.< So etwas würde in den Zeitungen stehen, wenn man mich
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