Spion Für Deutschland
gern und gar nichts dagegen gehabt, wenn meine Eltern Norweger gewesen wären. Ach, Europa — Paris, Wien, Budapest, Rom. Dieser verdammte Krieg!«
Sie nahm ihr Necessaire, drehte sich um und sagte:
»Gute Nacht Hoffentlich stört es Sie nicht, daß ich so bald aufstehen muß. Ich habe ein kleines Modegeschäft. Ich muß immer als erste dort sein.«
»Gute Nacht«, erwiderte ich.
Ich hörte noch eine Stunde Radio. Joan war vom Bad aus in das Nebenzimmer zurückgekehrt. Wenn mich die FBI schon am Wickel hatte, warum sollte sie noch eine Agentin eine Nacht lang als Wächterin postieren? Warum kamen die Beamten nicht gleich und holten mich ab? Hirngespinste, sagte ich mir. Aber dann fiel mir ein, wie wenig sie über meine Pistole erschrocken war und wie wenig sie mich gefragt hatte.
Ich kämpfte mit mir, ob ich bleiben oder gehen sollte. Für beides gab es gewichtige Gründe. Würde ich gehen, mußte Joan, auch wenn sie >harmlos< war, Verdacht schöpfen. Blieb ich, so saß ich, wenn Joan nicht >harmlos< war, in der Falle. Aber in diesem Fal e war das Haus sicher schon umstellt, und ich hätte es gar nicht verlassen können.
Ich ging mit dem letzten Schluck Whisky schlafen. Ich wachte fünf-, sechsmal auf. Um vier oder fünf Uhr war ich so weit, daß mir alles gleichgültig war. Dieser Fatalismus bescherte mir fünf Stunden Schlaf.
Als ich aufwachte, war Joan gegangen. Sie hatte, um mich nicht zu wecken, in der Küche gefrühstückt. Ihre Tasse stand noch auf dem Tisch. Eine winzige Spur Lippenstift klebte an ihrem Rand. Die amerikanischen Lippenstifte waren während des Krieges anscheinend auch nicht die besten. Ich spülte die Tasse ab, duschte mich, aß zwei übriggebliebene >Hamburgers< und machte mich auf den Weg zu Mr. Brown in die 41. Straße, 8. Stock. In Sachen Atomspionage .
. .
Ich ging dreimal um die Ecke, überzeugte mich, daß ich nicht verfolgt wurde, und dachte daran, wie schön es wäre, mit Joan unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen, statt hinter dem Manhattan-Projekt< herzujagen. Das Fest der Liebe zu feiern, statt im Dienst des Krieges zu stehen.
Ich war da. 41. Straße. Ich fuhr zum achten Stock hoch. Die rothaarige Sekretärin überlegte sich eine Weile, ob sie sich mit ihren Fingernägeln oder mit mir beschäftigen sol te. Sie entschied sich für mich.
»Heute haben Sie Glück«, sagte sie, »heute ist Mr. Brown da. Eigentlich wol ten Sie schon gestern kommen?«
»Ich wollte«, erwiderte ich, »aber es ist wohl nie zu spät, Sie zu sehen, oder?«
»Hoppla«, antwortete sie. »Heute abend ist Boxkampf. Wenn Sie Karten besorgen, komme ich mit.«
»Ich würde lieber in ein Theater gehen«, entgegnete ich.
»Reden wir weiter, wenn Sie herauskommen«, sagte sie.
Sie ließ ihren Nagel ack stehen und ging in das Zimmer Mr. Browns. Nach zwei Minuten kam sie wieder. Brown war klein und nervös. Er stand von seinem Stuhl auf und ging mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte er.
»Zuerst die Wände und Türen schal dicht machen«, erklärte ich ihm.
Er sah mich ein paar Sekunden betroffen an.
»Ich verwalte hier keine Geheimnisse«, sagte er.
»Ein paar vielleicht doch.«
Er setzte sich, bot mir eine Zigarette an. Ich lehnte ab.
»Sie waren von 1938 bis 1942 für den deutschen Geheimdienst tätig«, begann ich. »Sie haben dafür insgesamt 64293 Dol ar und 40 Cent bezogen. Sie haben mit dem Geld angeblich Ihre Unteragenten bezahlt. Sie sind der einzige, der damals bei der Verhaftungswelle entkommen ist. Ich bin jetzt hier, um das Geld zu kassieren.«
Er schlotterte an allen Gliedern. Seine Augen wurden starr — wie die Augen eines Kaninchens, das von einer Schlange verschluckt wird.
»Wer sind Sie?« fragte er.
»Für Sie heiße ich Kenneth W. Smith«, entgegnete ich ihm. Ich machte eine Pause, sah zum Fenster hinaus, überlegte, ob die Rothaarige unser Gespräch mit anhören konnte, und fuhr dann fort: »Ich komme aus Deutschland. Aus Berlin. Wenn Sie mir weiterhelfen, passiert Ihnen gar nichts — ... Sie haben damals sehr gut gearbeitet.«
»Sie sind verrückt«, erwiderte Brown. »Damals war alles ganz anders. Jetzt hat Deutschland den Krieg verloren.«
Er stand auf und rannte im Zimmer hin und her, fuchtelte mit den Armen und sprach Sätze, die ihm nicht über die Zunge liefen. Vor dem Telefon blieb er stehen.
»Wenn ich jetzt die FBI anrufe . . .?« fragte er.
». . . Dann wird man Sie hängen«, erwiderte ich. »Mich übrigens auch. Der
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