Spion Für Deutschland
faßte.
Wie nahe ich daran war, sol te mir an diesem Tag, dem 23. Dezember 1944, abends gegen 18 Uhr, mit aller Deutlichkeit demonstriert werden. Denn was in der Zwischenzeit geschehen war, wie sich das Verhängnis zusammenzog, wie jetzt die amerikanische Abwehr auf Touren kam, sol te ich erst später erfahren.
Wie es kam, erzählten mir später die FBI-Beamten in genußvol er
Ausführlichkeit. . .
Zwei Tage lang hatte Billy nach dem vergeblichen Versuch, in der >Grand-Central-Station< meine Koffer wiederzubekommen, pausenlos getrunken. Als ihm der Alkohol hochkam, war er weich. Windelweich.
Vor Jahren hatte er in New York einen Freund. Vielleicht kämpfte dieser jetzt auf Okinawa oder bei Aachen. Die Wahrscheinlichkeit, daß er sich in New York aufhielt, war minimal. Aber er war da. Ein zweimal verwundeter und
vieldekorierter Kriegsheld! In wichtiger Stel ung bei der Rüstungsindustrie.
Billy fand ihn. Er dachte sich eine Geschichte aus, und sein Freund — Tom S.
Warren — schenkte ihm Glauben. Zunächst wenigstens. So verschieden die beiden Freunde waren, etwas hatten sie gemeinsam: den Appetit auf Whisky.
Billy hatte noch Geld. Sie zogen von Lokal zu Lokal. Sie klopften den Mädchen auf die nackten Schultern und schoben ihnen Geld in das Strumpfband, luden al e Gäste ein, sangen und tanzten. So ging es tagelang. Tom erschien nicht zum Dienst. Er meldete sich krank. Er war es auch — vom Alkohol.
Der Kater griff nach Bil y. Früh um vier bekam er das heulende Elend. Ich kenne das. Ich hatte ihn ein paarmal so erlebt. Und der Freund heulte mit. Zunächst wenigstens. Aber er war etwas nüchterner als Billy. Eine Kleinigkeit. Eine tödliche Kleinigkeit. Billy erzählte zusammenhanglos. Mit der idiotischen Logik des Betrunkenen. Er lallte. Er stammelte. Er sprach von U 1230. Tom lachte ihn aus. Einen langen Tag und eine kurze Nacht lang. Aber immer und immer wieder kam ihm Billy damit. Er war jetzt nüchterner. Sein Geld wurde knapp.
Der Freund hörte zu. Das sinnlose Gestammel bekam Hand und Fuß.
Was tun? Tom S. Warren war Patriot wie jeder Amerikaner, der zweimal im Krieg verwundet und in Ehren aus der Armee entlassen wurde. Aber er war ein Freund, ein echter Freund! Eine Anzeige bei der FBI wäre ein Vertrauensbruch Billy gegenüber. Wer würde schon wegen der Schauergeschichten eines
Betrunkenen zum Geheimdienst laufen? Aber wenn al es stimmte? Wenn Billy tatsächlich gegen seine eigene Heimat arbeitete?
Tom suchte Rat bei anderen Freunden. Was sie sagten, war einleuchtend und eindeutig: Auf zur FBI! Die Freunde erinnerten an den Spionagefall Dasch: Väter und Mütter waren zum Tod verurteilt worden, weil sie ihre Söhne in die Arme geschlossen hatten, weil sie nicht sofort zur Polizei gegangen waren, um den Henker für den eigenen Sohn zu bestellen. Es gab keine mildernden Umstände.
Im Krieg nicht. Die Urteile wurden später zwar nicht vollstreckt, aber zwanzig Jahre Zuchthaus waren auch noch hart genug.
Ohne besonderen Eifer griffen sich die Beamten Billy. Sie warteten, bis er nüchtern war. Er wurde vorgeführt, und er brach zusammen. Sofort.
Hemmungslos. Getrieben von einem einzigen Wunsch: seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Aber der Kopf steckte drin. Und die Schlinge war schon zusammengezogen.
»Ich wollte sowieso zu euch kommen«, sagte Billy Colepough.
»Ein deutscher Agent läuft frei herum. Er heißt Edward Green. Er ist ganz gefährlich. Er ist der gefährlichste Mann des deutschen
Reichssicherheitshauptamtes. Ich bin mit ihm über den Atlantik gekommen.«
»Du bist Amerikaner«, unterbrach ihn ein Beamter, »und gibst dich dazu her, einen deutschen Spion in dein eigenes Land einzuschmuggeln?«
»Ich habe es nur getan, um wieder nach Amerika zu kommen. Um mich für die Army zur Verfügung zu stellen, um den deutschen Spion auszuliefern.
Ich bin Amerikaner und will es immer bleiben.«
Noch wußten die FBI-Beamten nicht, ob sie einen Fantasten oder einen Spion vor sich hatten. Spione, die so willfährig reden wie Billy, sind selten. Und unglaubwürdig.
Aber Billys Akten waren im Nu zur Stelle. Es ging aus ihnen hervor, daß er Deserteur war und daß er wegen seiner Sympathie für den Nationalsozialismus nicht zum Marineoffizier befördert worden war.
Alarm! Großalarm! Der größte Alarm, den die FBI in New York während des ganzen Krieges erlebte!
Gesucht wurde Edward Green alias Erich Gimpel, der deutsche Spion. Top secret! Die amerikanische Zivilbevölkerung durfte
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