Spione, die die Welt bewegten
von Patkul konnte gerade noch rechtzeitig nach Kurland fliehen und untertauchen. Er widmete sich anschließend
mit allen Kräften dem Widerstand gegen Schweden. Dabei wurde er so bekannt, dass ihn August |129| der Starke, König von Sachsen und Polen, in seine Dienste nahm. Der König benötigte ihn als Berater für geplante Maßnahmen
gegen Schweden, das Polen immer mehr bedrohte. Doch der König war militärisch schwach und den Schweden nicht gewachsen. Von
Patkul schmiedete für ihn einen Bündnisplan und knüpfte Kontakte zu möglichen Verbündeten. Daneben formulierte er ein Bündnis
zwischen Sachsen und Russland und machte Zar Peter I. geschickt auf die Vorteile Russlands in einem Krieg gegen Schweden aufmerksam.
Im Februar 1700 rückten sächsische Truppen in einer Geheimaktion gegen das von den Schweden besetzte Riga vor. Gleichzeitig
wollten sie einen Aufstand anregen. Doch die Aktion misslang, und der schwedische König Karl XII. startete anschließend eine
Offensive gegen Polen. 1702 eroberten seine Truppen sogar Krakau. August der Starke geriet in Bedrängnis. Von Patkul begab
sich zum Zaren, um Hilfe zu vermitteln. Zar Peter nahm ihn in seine Dienste und es kam 1703 zum Abschluss eines Schutzpaktes
zwischen König August und Zar Peter. Russland schickte Hilfstruppen und Geld, das König August allerdings mit seinen polnischen
Geliebten vergeudete und nicht seinen Truppen zukommen ließ.
Schließlich wollte August der Starke mit den Schweden einen separaten Frieden abschließen, was den Interessen des Zaren entgegenstand.
Von Patkul erfuhr von diesen Plänen und wollte dem König zuvorkommen. Er versuchte mit dem Zar Kontakt aufzunehmen, um ihm
seinerseits den Beginn von Friedensverhandlungen vorzuschlagen. Nur die schützende Hand des Zaren konnte ihn nach seiner Meinung
vor den Schweden retten. Außerdem wurden die russischen Hilfstruppen, obwohl sie Verbündete waren, in ihren Quartieren in
Sachsen so schlecht versorgt, dass es bereits erste Spannungen gab. Der sächsische Geheimdienst fing das Schreiben ab, und
von Patkul wurde in Abwesenheit von August dem Starken und unter Missachtung seiner damals bereits üblichen diplomatischen
Immunität verhaftet. Obwohl er russischer Gesandter war, landete er 1705 im Gefängnis der sächsischen Festung Sonnenstein.
Für August den Starken ging der Krieg verloren und er musste 1706 mit dem Schwedenkönig Frieden schließen. Zu den Friedensbedingungen
der Schweden gehörte unter anderem auch die Auslieferung von Johann Reinhold von Patkul. König August stimmte zu, gab allerdings
insgeheim die Anweisung, von Patkul fliehen zu lassen. Der Kommandant der Festung Sonnenstein verzögerte jedoch die Flucht,
so dass ein schwedisches Vorkommando rechtzeitig eintraf und von Patkul verhaften konnte. Er wurde später hingerichtet. Zar
Peter beschwerte sich in einem Schreiben an August den Starken über das schändliche Verhalten des Königs und informierte sogar
den Kaiser in Wien. Zuletzt blieb Russland in diesem großen Krieg Sieger.
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|131| König und Parlament – Entwicklung des englischen Geheimdienstes
Aufgrund seiner isolierten Insellage war England während des gesamten Mittelalters gut vor einer überraschenden Invasion geschützt.
Wenn Feinde auf dem Kontinent Truppen sammelten, so mussten ihnen vor dem Angriff auch Schiffe und Häfen zur Verfügung stehen,
und ein solcher Truppenaufmarsch ließ sich so gut wie nicht geheim halten. Eine militärische Feindbeobachtung war deshalb
in England kaum entwickelt. Späher wurden höchstens aktiv, wenn Gegner im eigenen Land ausspioniert werden mussten. Als während
der Renaissance die Spionage ein Werkzeug der Diplomatie wurde und ritterliche Verhaltensweisen immer mehr an Boden verloren,
griff auch der englische König stärker auf Spionageaktivitäten zurück. Es galt nun nicht mehr als unehrenhaft, einen Gegner
auf heimtückische Weise auszuspähen. Wie bei den übrigen europäischen Mächten übten sich zunächst die Gesandten in der Kunst
der Spionage und schauten sich bei ihren Missionen um. Dabei versuchten sie mehr zu sehen, als ihnen eigentlich erlaubt war,
denn der König sollte nach ihren Berichten seine Rückschlüsse ziehen können. Über Jahrhunderte war Frankreich der zentrale
Gegner von England und Spione wurden überwiegend dort eingesetzt. Erst während der Reformationszeit und insbesondere im Verlauf
der sich
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