Spione, die die Welt bewegten
Michail III. förderte die Denunziation und führte in der Justiz zusätzlich
politische Vergehen ein, die nicht durch normale Gerichte sondern durch besondere Kommissionen abgeurteilt wurden. Sogar die
Unterlassung der Meldung eines politischen Vergehens wurde mit dem Tode bestraft. Leibeigene wurden aufgefordert, Vergehen
ihrer Herrn zu melden. Die Zahl der Spitzel nahm deshalb rapide zu, denn jede verdächtige Beobachtung sollte so rasch wie
möglich weitergeleitet werden. Dennoch konnte ein großer Kosakenaufstand nicht verhindert werden. In einem 1650 gegründeten
Geheimbüro wurde die Leitung aller übrigen geheimen Organisationen zentralisiert, um sie noch effektiver zu machen. Mitarbeiter
dieses Büros sollten ausländische Botschaften in Moskau infiltrieren und russische Botschafter im Ausland überwachen. Häufig
wurden sie doppelt bezahlt. Sie erhielten sowohl ihren Lohn vom Geheimbüro als auch Bestechungsgelder der Personen, die sie
überwachen sollten. Die allgegenwärtige Briefzensur wurde nicht verheimlicht, sondern sollte zeigen, wie mächtig und allwissend
der Staat war.
Ende des 17. Jahrhunderts herrschte in Russland wieder ein sehr mächtiger Zar, es war Zar Peter der Große. Da sein Vater zweimal
geheiratet hatte, gab es Kinder von zwei Frauen, gegen die sich Zar Peter I. in der Thronfolge durchsetzen musste. Bald reiste
der junge Zar – als erster Zar überhaupt – zusammen mit einer Gesandtschaft inkognito in die hochentwickelten europäischen
Staaten, um in eigener Sache als Spion tätig zu werden. Er wollte soviel wie möglich lernen und die technischen, wissenschaftlichen
sowie kulturellen Errungenschaften des Westens studieren, um sie dann zu übernehmen.
In Amsterdam arbeitete Zar Peter fünf Monate lang als Schiffszimmermann und war sich für keine Arbeit zu schade. Bald bemerkten
die Kollegen jedoch, welchen bedeutenden Mitarbeiter sie hatten, aber sie hatten die Anweisung, so zu tun, als wüssten sie
es nicht. Nach der Teilnahme an einem Anatomiekurs in der Medizin machte er sich sogleich daran, die Zähne der Gesandtschaftsmitglieder
zu kontrollieren und sie notfalls zu ziehen. In Königsberg durchlief er unerkannt eine Ausbildung zum Kanonier und erhielt
nach bestandener Prüfung eine Urkunde. In Hannover wurde er von Kurfürstin Sophie und ihrer Tochter zum Essen eingeladen,
worauf die Tochter vermerkte, die Tischsitten des Gastes seien recht rustikal gewesen. Dennoch war sie von dem Gast begeistert
und meinte, er sei sehr fröhlich und gesprächig gewesen. Beim anschließenden Ball bemerkte Zar Peter erstmals, dass feine
europäische Damen ein Korsett aus Walknochen trugen. Später notierte er erstaunt, dass die Damen in Deutschland recht harte
Knochen hätten. In London mietete er sich mit anderen Mitgliedern der Gesandtschaft ein Haus und veranstaltete nach altrussischer
Sitte Saufgelage, worauf sie nach dem Auszug 350 Pfund Renovierungskosten bezahlen mussten. Die Städte Amsterdam und London
faszinierten Zar |127| Peter und schon fünf Jahre nach seiner Rückkehr begann er mit dem Bau seiner neuen Hauptstadt Sankt Petersburg.
Nach seiner Rückkehr aus dem Westen machte sich Zar Peter umgehend an die Neugestaltung seines Reiches, und ein Zeitalter
der Reformen konnte beginnen. Er setzte sich energisch durch und duldete keinen Widerspruch. Dem russischen Adel ließ er die
Bärte abschneiden, und nur gegen eine Sondersteuer durften hochstehende Persönlichkeiten Bärte tragen. Russland wurde durch
ihn in einer rasanten Entwicklung dem Westen angepasst. Männer und Frauen mussten sich nach seinen Befehlen an die europäische
Mode gewöhnen. Gleichzeitig waren in den Hauptstädten der westlichen Länder überwiegend seine Wirtschaftsspione aktiv. Sie
sollten neue Techniken und Produktionsverfahren lernen und dann nach Russland weitergeben. Zar Peter modernisierte das Militärwesen
und die Verwaltung, etablierte einen neuen Kalender, baute die Flotte aus und begann, wie andere Zaren vor ihm, in verschiedenen
Kriegen „russische Erde zu sammeln“. Durch Zar Peter wurde Russland zur Großmacht.
Sein Privatleben war allerdings nicht so erfolgreich wie seine Herrschaft, denn der Zar war eigensinnig und konnte sehr aufbrausend
sein. Er war über zwei Meter groß, körperlich sehr stark und hatte keine Hemmungen, sich auch bei Hofe mit feinen Leuten zu
prügeln. An seiner Tafel gab es keine Sitzordnung, und er setzte
Weitere Kostenlose Bücher