Spione, die die Welt bewegten
Preußenkönig schließlich
Dokumente erhielt, in denen Russland mitteilte, es dauere noch etwa ein Jahr bis zur vollständigen Mobilisierung seiner Armee,
erkannte er die Gunst der Stunde und startete seine militärische Invasion gegen Sachsen mit einem Überraschungseffekt. Später
verteidigte Friedrich II. nach der Auswertung aller Hinweise seiner Spione den Angriff als Präventivschlag. Sogar Flugblätter
wurden verteilt, um der Bevölkerung den Grund des Krieges genau zu erläutern.
Während seiner späteren Feldzüge setzte Friedrich II. auch verurteilte Kriminelle als Spione ein und versprach ihnen dafür
Straferlass und Geldgeschenke. Der in ganz Preußen bekannte Dieb Christian Käsebier wurde im Juni 1757 |174| aus dem Gefängnis von Stettin geholt und zum Preußenkönig gebracht. Dort erhielt er das Angebot, in die von der preußischen
Armee belagerte Stadt Prag eingeschleust zu werden, um zu erkunden, wie lange sich die Stadt wohl noch halten könne oder ob
Wachen bestechlich wären. Die preußische Armee wollte die Stadt unbedingt erobern, denn der österreichische Feldherr Herzog
Karl von Lothringen hatte sich mit Teilen seiner Armee nach Prag abgesetzt. Als Gegenleistung wurden Käsebier eine Begnadigung
sowie ein Geldgeschenk in Aussicht gestellt. Gleichzeitig machte ihm der Preußenkönig klar, dass er ihn nur als ein Werkzeug
sehe und dessen Tätigkeit prinzipiell verachte. Käsebier wurde nur ausgewählt, weil er in Prag bereits einmal abgeurteilt
worden war und deshalb die Stadt kannte. Er musste somit in seinem Verhalten von vorneherein vorsichtig sein. Der Dieb Käsebier
stimmte zu, verhielt sich allerdings anders als Friedrich II. vermutet hatte. Ihm war klar, dass die Preußen die Ankunft eines
österreichischen Entsatzheeres fürchteten und Prag deshalb so rasch wie möglich erobern wollten.
In Prag wurde Käsebier bald von einer ihm früher bekannten Prostituierten erkannt. Sie gingen zusammen in ein Lokal, wo sie
einem Polizeispitzel auffielen. Die Prostituierte machte den Polizeispitzel sogar auf Käsebier aufmerksam. Doch dieser verhaftete
Käsebier nicht, sondern fragte nur nervös, ob es für ihn auch möglich wäre, in Zukunft für den Preußenkönig zu arbeiten. Er
habe gehört, dass Prag wegen zu großer Verluste und der Hungersnot nicht mehr weiter von den Österreichern verteidigt werden
solle und dass der Stadtkommandant bereit wäre, die Stadt Prag in den nächsten Tagen an die Preußen zu übergeben. Käsebier
erkannte sofort seine Chance und ließ sich zum österreichischen Kommandanten führen. Er schilderte, was er vom Preußenkönig
erfahren hatte und erklärte, dass die Preußen nicht mehr die Kraft hätten, die Stadt weiter zu belagern und sich vor dem angekündigten
Entsatzheer fürchteten. Die Österreicher beschlossen, die geplante Kapitulation zu verschieben. Sie nahmen Käsebier allerdings
in Haft, um zunächst seine Angaben zu überprüfen. Vier Tage später kam es zur Schlacht von Kolin und Friedrich II. musste
die Belagerung von Prag abbrechen. Da seine Schilderungen der Wahrheit entsprochen hatten, erhielt Käsebier später von den
Österreichern eine reiche Belohnung. Er kaufte sich davon in Sachsen einen Bauernhof, heiratete und wurde bürgerlich.
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|175| Die ruchlose Spionin – Mata Hari und der Erste Weltkrieg
Nach der Gründung des Deutschen Reiches und der Aufwertung des Preußenkönigs zum Deutschen Kaiser gewann zwar das Militärwesen
im Staat aufgrund der langen preußischen Tradition eine wichtige Bedeutung, der Aufbau eines zentralen militärischen Geheimdienstes
aber wurde sträflich vernachlässigt. Die Herkunft des Reiches aus vielen einzelnen und vorher unabhängigen Staaten machte
sich hier negativ bemerkbar. Jeweils eigene Geheimdienste unterhielten überwiegend nur einzelne Militärbehörden oder Armeeteile.
Zwischen ihnen gab es jedoch kaum Vernetzungen, und sie führten häufig ein Einzeldasein. Jede Behörde wachte eifersüchtig
über ihre Kompetenz, so dass nach der Reichsgründung die Erfahrungen im Zusammenspiel der Spionagearbeit insgesamt mangelhaft
waren. Finanzmittel flossen überwiegend in die Rüstung und weniger in die Beobachtung potenzieller Feinde. Während des Krieges
1870/71 hatte Wilhelm Stieber mit seiner Geheimen Feldpolizei die Bedeutung einer guten Spionage für einen erfolgreichen Kriegsverlauf
bewiesen. In Friedenszeiten jedoch zählten diese
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