Spione, die die Welt bewegten
genannten Reptilienfonds, für die es keinerlei Kontrolle durch
das Parlament gab. Sein erstes Spionagenetz baute Stieber in Österreich auf. Es war beim Krieg von 1866 gegen Österreich von
großem Nutzen. Alle Spione wurden von ihm großzügig bezahlt, allerdings mit eigens gedrucktem österreichischem Falschgeld
von höchster Qualität. Stieber hatte in den preußischen Gefängnissen die besten Fälscher zusammenlegen lassen und nutzte sie
für seinen Dienst. Bismarck, Stieber und der Bankier Bleichröder arbeiteten von nun an hinter den Kulissen eng zusammen.
Der Krieg 1870/71
Sein nächstes Spionagenetz baute Stieber in Frankreich auf. Er knüpfte die Maschen besonders eng und beschränkte sich nicht
auf einzelne gute Mitarbeiter, sondern wollte stets auf die Informationen von vielen Spionen zurückgreifen. Nur aus vielen
Einzelinformationen konnte seiner Meinung nach ein unverfälschtes Bild der Realität gewonnen werden. Seine Spione unterteilte
er in verschiedene Gruppen: Spione, die aus Geldgier arbeiteten; Spione, die aus Rache arbeiteten – sie hielt er für die besten;
und Spione, die zur Spionage erpresst wurden – sie waren in seinen Augen zwar unzuverlässig, aber gut für Einzelbeobachtungen
einsetzbar.
Im Mai 1867 begleitete Stieber den preußischen König und den russischen Zaren zur Weltausstellung nach Paris. Von seinem Geheimdienst
erfuhr er bereits bei der Ankunft, dass ein polnischer Anarchist mit dem Namen Berezowski den Zaren während einer Parade erschießen
wolle. Er gab die Informationen an die Leibwache des Zaren weiter. Der französische Kaiser Napoleon III. intervenierte allerdings
und teilte mit, dass seine Behörden keine Hinweise auf ein Attentat besäßen. Napoleon III. schlug dem immer noch skeptischen
Zaren vor, dass er zusammen mit ihm in seiner Kutsche die Parade abnehmen |170| solle. Der Zar stimmte zu. Auf dem Rückweg von der Parade kam es tatsächlich zu einem Attentat. Jedoch traf die Kugel keinen
Menschen, sondern den Kopf eines Pferdes der Eskorte.
Im November 1869 reiste Stieber erneut nach Paris, um dort Informationen seiner Spione über neue französische Waffen zu sammeln
und auszuwerten. Wichtig waren Hinweise auf die
Mitrailleuse
, auch „Kugelspritze“ genannt, die Vorläuferform des modernen Maschinengewehrs. Vergleiche mit dem deutschen Waffenstandard
ergaben, dass die französische Armee den verschiedenen deutschen Armeen technisch nicht überlegen war. Über eine ähnliche
Schnellfeuerwaffe wie die
Mitrailleuse
verfügte auch die bayerische Armee. Der Chef des deutschen Generalstabs, Feldmarschall Graf von Moltke, wurde über die Erkenntnisse
informiert und die einzelnen deutschen Armeen trafen Vorbereitungen.
Unmittelbar nach der Mobilmachung begab sich Stieber in die neutrale Schweiz, um seinen französischen Spionen aktuelle Instruktionen
zu erteilen und neueste Nachrichten zu empfangen. Das Verhalten im Kriegsverlauf wurde besprochen. Anschließend schloss er
sich als Feldpolizeidirektor dem Großen Hauptquartier des Königs in Mainz an. Die Zahl seiner Spione wurde nun für Feldbeobachtungen
noch einmal verstärkt. Allerdings gab es auch Spannungen mit den militärischen Geheimdiensten des Generalstabs und Rivalitäten
um Zuständigkeiten.
Dank der guten Vorarbeiten des deutschen Generalstabes lief die Mobilmachung wie am Schnürchen, während die Franzosen zunächst
Probleme hatten. Feldmarschall Graf von Moltke ließ die Truppen ausgeruht mit der Eisenbahn direkt zur Front bringen. Zunächst
war das Kriegsglück wechselhaft. Wiederholt konnten Stiebers Spione militärische Entscheidungen beeinflussen. Durch sie erfuhr
beispielsweise der deutsche Generalstab, dass die Armee des französischen Marschalls Mac-Mahon entlang der belgischen Grenze
nach Metz vorstoßen wollte. Die deutschen Truppen konnten sich auf die Meldung einstellen, und es gelang, die Armee von Mac-Mahon
bei Sedan einzukesseln. Diese Schlacht war kriegsentscheidend und die französische Armee kapitulierte zusammen mit Kaiser
Napoleon III., der sich bei seinen Truppen befand.
Der Krieg selbst war allerdings noch nicht beendet. Die deutschen Armeen rückten nach Paris vor und schlossen am 19. September
1870 um die Stadt einen Belagerungsring. Die Hauptstadt selbst war schwer bewaffnet und verfügte über einen 60 Kilometer langen
Gürtel von Schanzen und Forts sowie 40 Kilometer Umwallungen mit etwa 100 Bastionen. Dazu
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