Spione kuesst man nicht
er empfand. (Das Gleiche wie ich.) Ich nahm seine Hand, und es war, als ob er mir half, eine andere Welt zu betreten, anstatt mich von einer mit rotem Plastik überzogenen Bank zu erheben. Die beiden Hamburger blieben kaum angerührt auf dem Tisch hinter uns, aber es war mir egal.
Dillon stand auf und ließ mich raus, doch Josh ließ meine Hand nicht los.
WIR HIELTEN UNS AN DEN HÄNDEN!
Er zog mich zur Tür, aber ein Mädchen kann drei Jahre Kulturunterricht nicht einfach vergessen, also drehte ich mich zu Dillon und DeeDee und murmelte: »Tschüs. Es war nett, euch kennenzulernen.« Totale Lüge, aber eine, die sogar Nicht-Spione in höflichen Kreisen von sich geben, also zählte es wahrscheinlich nicht.
Dillon brüllte wie jemand, der zu viele Filme mit Keanu Reeves gesehen hatte: »Hoh! Da verpasst du aber was, Bro. Wir reißen ’n paar reiche Tussen auf!«
Ja, klar, D’Man , dachte ich, als Josh die Tür öffnete. Versuch es doch!
Ich bin eigentlich kein großer Fan vom Händchenhalten, aber damit meine ich Filme, in denen der Held und die Heldin vorden Bösen weglaufen müssen und sich dabei an den Händen halten, was total verrückt ist. Niemand kann so schnell rennen, wenn er die Hand von jemand anderem hält (eine Tatsache, die ich in einem S+V-Experiment überprüft habe).
Aber Josh und ich rannten nicht. Oh, nein. Wir schlenderten. Unsere miteinander verbundenen Hände schwangen vor und zurück.
Nach einer Weile schaute er auf die Straße und sagte: »Tut mir leid.«
»Was denn?« Mir fiel nicht eine Sache ein, die er falsch gemacht hatte. Keine einzige.
Er ruckte mit dem Kopf in Richtung Diner. »Dillon. Er ist sonst gar nicht so übel«, sagte er. »Wir reden schon seit dem Kindergarten so miteinander. Er hat eine große Klappe, aber das ist auch alles.«
»Also brauchen wir die Gallagher Akademie nicht zu warnen?«
»Nein«, sagte er und lächelte. »Ich glaube, sie sind in Sicherheit.«
»Ja, wahrscheinlich.« Ich dachte an unsere Mauern – unsere Welt. »Und DeeDee?«, fragte ich und spürte, dass mir der Atem stockte. »Sie scheint ganz lieb zu sein.« Leider keine Lüge.
»Sie ist lieb, aber« – der Druck seiner Hand wurde fester – »ich möchte nicht über sie reden.«
Vielleicht waren es die funkelnden Lichter des Pavillons oder die Art, wie Joshs Hand sich in meiner anfühlte, oder vielleicht war es das lila Niesgas von Dr. Fibs, dem ich ausgesetzt worden war, aber als wir stehen blieben, drehte sich alles. Es war, als ob die ganze Welt ein Karussell wäre und Josh und ich in seiner Mitte standen. Es mussten einige Zentripetalkräfteim Spiel gewesen sein, denn wir rückten immer näher zusammen, und bevor ich richtig wusste, was geschah, passierte etwas, von dem ich immer geträumt hatte. Aber ich schreibe hier nichts davon, weil meine Mutter das alles lesen wird. Außerdem werden sicher alle möglichen wichtigen Leute diesen Bericht in Auftrag geben, und die müssen nun wirklich nichts von meinem ersten Kuss erfahren.
(Oje! Das wollte ich ja eigentlich gar nicht …)
Also – okay – Josh hat mich geküsst. Ich weiß, einige von euch möchten Einzelheiten wissen. Zum Beispiel, wie weich seine Lippen waren und ob er eingeatmet hat, während ich ausatmete und umgekehrt, sodass es uns vorkam, als wären unsere Seelen für immer vereint oder so was. Aber davon erzähl ich euch nichts. Auf gar keinen Fall. Das ist privat.
Eines kann ich jedoch verraten: Es war alles genau so, wie es sein sollte – warm und süß und auf jeden Fall der Anfang von … na ja, vom Anfang eben.
V or- und Nachteile eines weiblichen Genies Schrägstrich einer Auszubildenden im Spionagegeschäft Schrägstrich Freundin des niedlichsten Schrägstrich nettesten Schrägstrich süßesten Typen auf der Welt:
VORTEIL: Dem Typ in vierzehn verschiedenen Sprachen sagen zu können, was du für ihn empfindest.
NACHTEIL: Der Typ kann keine der Sprachen verstehen (außer Englisch natürlich, das er selbst in einem ganz speziellen und oft unübersetzbaren »Jungs«-Dialekt spricht).
VORTEIL: Wenn der Typ Schwierigkeiten mit seiner Chemiearbeit hat, kannst du dich mit ihm in der Bücherei treffen und ihm beim Lernen helfen.
NACHTEIL: Du kannst ihm nicht so furchtbar viel helfen. Wie willst du ihm sonst erklären, dass du dich schon in der zehnten Klasse mit Chemie auf Doktorandenniveau befasst?
VORTEIL: Der Ausdruck im Gesicht deines Freundes, wenn er dich mit allen möglichen Spielsachen für Katzen
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