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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Carter
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anzustarren, der aussah, als ob er wüsste, wie es sich anfühlt – dort oben ohne Netz.
    Als ich so dasaß, wusste ich, dass ich nur immer einen Fußvor den anderen setzen und hoffen konnte, dass keines der Geheimnisse auf meinen Schultern so schwer war, dass ich das Gleichgewicht verlor.

A ugen zu!«, befahl Mr Solomon.
    Der Projektor surrte hinter mir. Ich spürte den weißen Lichtstrahl im Raum. Wir kniffen unsere Augen zusammen und trainierten unser Gedächtnis, indem wir versuchten, uns an die kleinsten Details der Dinge zu erinnern, die wir gerade gesehen hatten. Ich dachte an das Foto eines Parkplatzes vor einem Supermarkt, als Mr Solomon sagte: »Miss Alvarez, was stimmt auf diesem Bild nicht?«
    »Der blaue Lieferwagen hat eine Behinderten-Plakette«, erwiderte Eva. »Aber er parkt auf dem Platz ganz hinten.«
    »Richtig. Nächste Aufnahme.« Der Projektor klickte, das Bild wechselte, und wir durften uns zwei Sekunden lang das Foto einprägen, das vor unseren Augen auftauchte.
    »Miss Baxter?«, fragte Mr Solomon. »Was ist hier falsch?«
    »Der Schirm«, sagte Bex. »Am Fenster sind Regentropfen und der Mantel am Haken ist feucht, aber der Schirm ist zusammengerollt. Die meisten Leute lassen ihren Schirm offen, damit er trocknen kann.«
    »Sehr gut.«
    Als wir die Augen wieder öffnen durften, guckte ich nicht auf die Leinwand. Ich schaute unseren Lehrer an und fragte mich, wie er mit Bex reden und sie herausfordern konnte, als ob nichts geschehen wäre. Ich wusste nicht, ob ich ihn beneiden oder hassen sollte, aber ich hatte weder für das eine noch das andere Zeit, weil er wieder »Augen zu!« befahl. Ich hörte, dass er einen Schritt machte, und wollte wissen, wie er es aushielt, einfach so vor uns zu stehen, während ich am liebsten davongelaufen wäre. »Miss Morgan, was ist hier nicht in Ordnung?«
    »Ähm … ich hab nicht … also, ich bin …«
    Was nicht in Ordnung war? Ich hatte meiner besten Freundin seit Tagen nicht ins Gesicht gesehen. Nicht in Ordnung war, dass Menschen wie Abe Baxter leben und sterben müssen und die Welt sich weiterdreht und nie erfährt, welche Opfer Leute wie er für sie gebracht haben. Es war so vieles nicht in Ordnung, dass ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte.
    »Okay. Und was meinen Sie, Miss Bauer?«
    »Die Teetasse am Ende des Tischs«, antwortete Courtney.
    »Was ist damit?«
    »Der Henkel zeigt in die falsche Richtung.«
    »Ganz genau«, sagte Mr Solomon, als die Lampen im Klassenzimmer flackerten, dann wieder leuchteten und wir alle erst einmal blinzeln mussten.
    Unsere inneren Uhren sagten uns, dass der Unterricht noch nicht vorbei war.
    »Meine Damen, ich habe heute etwas für Sie«, sagte Mr Solomon und reichte jeder in der ersten Reihe einen Stapel Papier.
    Liz’ Hand schoss sofort in die Höhe.
    »Nein, Miss Sutton«, sagte Mr Solomon, bevor Liz fragen konnte. »Das ist kein Test und es geht nicht um Noten. Ihre Schule muss nur von Ihnen erfahren, und zwar schwarz auf weiß, ob Sie im nächsten Semester wieder das Fach Geheimoperationen belegen wollen.«
    Alle Mädchen in meinem Umkreis füllten das Formular aus, ein Haken hier, eine Unterschrift da, bis Mr Solomon einen Schritt nach vorn machte und rief: »Meine Damen!« – er schwieg, als alle aufblickten – »Mein Kollege, Mr Smith, sagt gern: ›Unsere Welt ist groß und voller dunkler Winkel und langer Erinnerungen.‹ Nehmen Sie diese Entscheidung« – er schwieg wieder, und ich hätte schwören können, dass sein Blick besonders lang auf mir ruhte – »nicht auf die leichte Schulter.«
    Bex boxte mich von hinten. Als ich mich umdrehte, hielt sie mir die nach oben gerichteten Daumen entgegen und sagte tonlos: »Das ist der Wahnsinn!«
    Ich blickte wieder auf das Formular in meinen Händen, rieb es zwischen meinen Fingern und versuchte, am Geruch zu erkennen, ob Gift in der Tinte war.
    Es ist nur Papier, sagte ich mir. Ganz gewöhnliches Papier. Aber die Tatsache, dass es kein Evapopapier war, jagte mir kalte Schauer über den Rücken. Es sollte unauslöschlich sein! Ich spürte Mr Solomons Blick. Er wusste, dass es mir aufgefallen war und dass ich begriff, was das zu bedeuten hatte. Und obwohl das Papier nicht dazu bestimmt war, gegessen zu werden, blieb ein schaler Geschmack in meinem Mund.

W enn ihr glaubt, dass es für ein Gallagher Girl, das sich mit einem Jungen aus Roseville trifft, nichts Schöneres gibt als Tina Walters, die beim Frühstück angerannt kommt und schreit:

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