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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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meisten Frauen, mir selbst die Schuld an Dingen gab, die genausoviel, wenn nicht mehr, mit dir zu tun haben. Wir Frauen können noch so modern sein, emanzipiert und die tiefgründigsten Analysen des Patriarchats und all seiner Mechanismen machen, nehmen aber immer noch alle Schuld auf uns. Egal, was schiefläuft, wir fühlen uns verpflichtet, zu beschwichtigen und zu besänftigen.«
    »Ich kann es dir nicht verdenken, daß du wütend bist. Du hast ja recht. Das sehe ich sehr wohl.«
    »Was siehst du?« fragte Kate in einem Ton, der Zweifel durchklingen ließ.
    »Daß ich dieses Projekt an der verdammten Schuyler offenbar brauchte, um meinen ganzen inneren Schlamassel ans Tageslicht zu befördern. Verstehst du, was ich damit sagen will? Vielleicht sollten wir zusammen Ferien machen, wenn wir den ganzen Ärger hinter uns haben, und einfach nur reden.«
    »Mir ist nicht nach Ferien. Ich mag Ferien grundsätzlich nicht.
    Und wenn zwei Menschen, die sich, theoretisch zumindest, zugetan sind, es in ihrem ganz normalen Alltag nicht schaffen, darüber zu reden, was ihnen auf der Seele liegt, dann können sie es wohl nie.
    Ferien sollen einem angeblich Zeit für Gespräche geben, aber wenn du mich fragst, bieten sie vor allem Vorwände, Gespräche zu ver-meiden. Angeblich soll die veränderte Szenerie auch das Interesse am Partner neu stimulieren und man sich weniger langweilen mit ihm, aber auch daran glaube ich nicht.«
    »Zum Teufel also mit den Ferien«, sagte Reed.
    Diesmal war es Reed, der Kate am nächsten Tag zum Staten-Island-Gefängnis fuhr, damit sie (zum endgültig letzten Mal, meinte er) mit Betty Osborne sprach. Sie entschieden sich für die Fähre, die gewiß nicht schneller war, aber eine Fährenfahrt paßte besser zu ihrer Stimmung als die Verrazano Brücke; an der Reling zu stehen und aufs Wasser zu gucken erinnerte Kate an die alten Filme, die sie sich manchmal ausliehen und spätabends ansahen. In den Tagen, als die Leute noch per Schiff reisten, standen Liebespaare an der Reling 126

    und wurden romantisch. Diese Filme hatten nichts mit der Wirklichkeit zu tun, waren Lichtjahre davon entfernt, aber wenigstens konnte man sie sich angucken, ohne hinterher unweigerlich Alpträume zu bekommen. Außerdem fand Kate Schwarzweißfilme beruhigend, vor allem die Tatsache, daß in diesen alten Filmen, im Gegensatz zu den heutigen und zum wirklichen Leben, eine Szene eindeutig zu Ende war, ehe die nächste begann.
    Sowie sie also auf der Fähre waren, stiegen sie aus dem Auto und gingen aufs oberste Deck hoch. Hinter ihnen lag Manhattan, rechts die Freiheitsstatue, aber Kate mußte zugeben, daß sie das Ganze eher an die Fahrt eines Einwandererschiffs nach Ellis Island erinnerte als an ein erotisches Intermezzo auf einem Luxusdampfer; trotzdem fühlte sie sich glücklich. Später, als sie die Fahrt Harriet gegenüber erwähnte, fiel dieser ein Kommentar Smileys ein: Im Spionagemilieu waren Fährenfahrten gang und gäbe; Spione geben bessere Auskünf-te, wenn sie den Blick schweifen lassen können. Aber Kate und Reed redeten nicht übers Spionieren.
    »Gib mir noch eine Chance«, bat Reed. »Um dir, und mir selbst, zu erklären, was mit mir los ist. Ich stecke nicht in der üblichen Midlifecrisis, da bin ich mir ganz sicher. Ich bin nicht der Mann, der zu sich selbst sagt: ›Und das soll’s nun gewesen sein?‹ Es ist auch nicht die übliche Depression bestimmter Wissenschaftler meines Alters, denen plötzlich dämmert, daß sie, wenn sie den Nobelpreis bis jetzt noch nicht bekommen haben, ihn nie kriegen werden. Du mußt verstehen, Kate, mir war gar nicht bewußt, daß ich unglücklich bin; ich glaube, ich fing einfach an zu zerbröseln – meine Konturen zu verlieren. Ich wußte zwar nicht, was mit mir geschah, aber elend fühlte ich mich trotzdem.«
    »In Gefahr, deine Konturen zu verlieren, habe ich dich am aller-wenigsten gesehen.«
    »Nein. Die äußere Hülle blieb unverändert. Das ist nicht der Punkt; was genau es nun ist, weiß ich selbst nicht recht, aber ich glaube, ich habe eine Idee. Ich hatte mich mit dem Status quo einge-richtet, gehörte dazu, war Teil des Establishments und für niemanden gefährlich. Na, gefährlich ist wohl ein zu starkes Wort. Aber ich hatte mich angepaßt, war eingetreten in die Riege der Selbstzufriedenen und Mittelmäßigen – diesen Haufen, der durch Bequemlich-keit und oberflächliche Gleichgesinntheit zusammengekittet wird.
    Damals in der Bezirksstaatsanwaltschaft war es

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