Spitfire: Kühler Tod
bedrängen. Ich habe dir diese ganzen Fragen über Justin und dich doch nicht gestellt, weil ich neugierig bin. Ich wollte ein Gefühl für Justins soziales Umfeld und deinen Platz darin bekommen.
Studien nach kennen die Opfer ihre Mörder in achtzig Prozent der Fälle. Ich will dir keine Angst machen, aber ich will, dass du dir im Klaren darüber bist, was das heißen könnte, und keine unnötigen Risiken eingehst. Wenn du es vermeiden kannst, dann geh nachts nicht alleine raus, meide unvertraute dunkle Ecken oder Abkürzungen und halte dich so oft wie möglich an hell erleuchteten und übersichtlichen Orten auf.
Grüße
Nick
PS: Danke für den Hinweis, dass FBI eine Abkürzung für Foll Bescheuerte Idioten ist. Das muss ich bei der Arbeit unbedingt mal rumerzählen.
Nicks zu danken,
herzlichen Dank auch für die Sicherheitslektion und dafür, dass du mir eine Heidenangst eingejagt hast. Ich habe mir schon das Hirn verknotet, aber mir fällt einfach niemand ein, der Grund hätte, Justin zu ermorden. Es muss einfach ein Fremder gewesen sein, oder? Was mir zu schaffen macht, ist nicht nur sein Tod, sondern auch die Art, wie er gestorben ist. Hier ist der Link zum Zeitungsbericht: http://www.sfgate.com,/cgi-bin/article.cgi?file=/c/a/2008/7/26/justinthymemurder.DTL
Der Mord war so brutal. Jedes Mal, wenn ich daran denke, fühle ich mich so hilflos. Wenn einem so kräftigen Kerl wie Justin in einer so netten Nachbarschaft so etwas zustoßen konnte, wie sicher können wir anderen uns dann schon fühlen? Wie sicher ist Papa?
Ich rufe dich heute Abend an.
Tomi
Als ich die Nachricht abschicke, durchquert Scott mein Büro, während er in sein Handy spricht. Ich folge ihm und lege ihm die geöffnete Post vor die Nase. Scott hebt den Zeigefinger, um mich aufzuhalten. Geduldig warte ich, bis er sein Telefonat beendet hat. »Freuen Sie sich schon auf heute Abend?«, fragt er, nachdem er aufgelegt hat.
Verwirrt starre ich ihn an. »Ja?«, sage ich dann, weil es offensichtlich das ist, was er hören will. Sam und ich gehen zu einer privaten Benefizveranstaltung im Museum of Modern Art.
»Wir uns auch«, verkündet er.
Wir, wir, wir. Ich zermartere mir das Hirn und plötzlich fällt es mir wieder ein. Diese dämliche Oper in der Davies-Symphony-Hall!
»Vilma und ich holen Sie um sieben ab«, sagt Scott.
»Oh, das ist wirklich nicht nötig … ich treffe Sie beide dort«, widerspreche ich fuchtelnd.
»Seien Sie nicht albern und geben Sie mir Ihre Adresse.«
Wenn ich sie ihm nicht gebe, besorgt er sie sich in der Personalabteilung.
Wieder an meinem Schreibtisch schreibe ich Sam eine Mail:
Betreff: Scheiße!
Ich hasse es, mir das anzutun, aber ich gehe heute Abend mit Scott und seiner Frau in die Oper. Uäh!
PS: Deine Mudder ist so dumm, dass sie für einen Drogentest lernen musste!
Als ich von der Arbeit nach Hause komme, füttere ich meine Fische und esse ein Stück Pizza. Dann durchwühle ich meinen Kleiderschrank auf der Suche nach etwas zum Anziehen. Ich stelle mir Scotts Frau vor. Ich schätze mal, Vilma ist eine von diesen heißen, Tennis spielenden, blonden, gebräunten und großzügig mit Botoxbehandelten Ehefrauen aus dem superschicken Marin County. Sie wird natürlich Pastelltöne tragen, die ihren sonnengeküssten Teint perfekt zur Geltung bringen, und dazu Diamantohrringe, die ihr Scott zum Geburtstag geschenkt hat.
Weil mich Ehefrauen im Allgemeinen nicht ausstehen können, ist die Kleiderwahl nicht schwer. Ich schlüpfe in einen schwarzen Hosenanzug mit schwarzem Rollkragenshirt, in dem meine Figur ganz und gar nicht zur Geltung kommt – und außerdem brauche ich so keinen Mantel. Ich trage ein sehr dezentes Make-up auf und verzichte auf jeden Schmuck. Dann fahre ich mir kurz mit einer Bürste durch die Haare und fasse sie zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammen.
Mein Handy klingelt und ich höre Operngesang, untermalt von Scotts Stimme am anderen Ende. Ich schaue aus dem Fenster und sehe seinen Hummer in der Auffahrt vor meinem Mietshaus stehen. Warum General Motors ihr Auto ausgerechnet nach einem Meereskrabbeltier benannt haben, will mir einfach nicht in den Kopf.
»Bin gleich da«, brülle ich über den Gesang hinweg in das Handy.
Weil ich nicht will, dass irgendjemand sieht, wie ich in das Auto steige, versuche ich verstohlen die hintere Autotür zu öffnen. Sie ist verschlossen. Die getönte Fensterscheibe auf der Beifahrerseite gleitet hinab und die Musik wird heruntergedreht.
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