Spitfire: Kühler Tod
Mittag zu essen und Wäsche zu waschen.
Gerade sitze ich in Papas Truck, während er noch einmal reingegangen ist, um seine Brille zu holen. Erst wollte er ohne sie losfahren, aber ich habe den Schlüssel aus dem Schloss gezogen und erklärt, er würde ihn erst zurückbekommen, wenn er vier Augen hat. Manchmal muss man einfach mal ein Machtwort sprechen.
Es ist warm im Truck und ich kurbele das Fenster herunter. Ein Lichtreflex blitzt im Seitenspiegel auf. Ich drehe den Kopf und sehe den Prius der misshandelten Ehefrau in ihre Auffahrt biegen. Einem Impuls folgend steige ich aus und hole sie auf ihrer Veranda ein.
»Hi«, rufe ich.
»Hi«, flüstert sie und wendet ihr blasses Gesicht ab. Die Bewegung passt eher zu einem Geist als zu einer Frau.
Ich stehe da und zermartere mir das Hirn auf der Suche nach einem Gesprächsthema. »Hätten Sie gerne ein paar Stücke Hochzeitstorte?«
Sie dreht gerade den Schlüssel im Schlüsselloch der Eingangstür, hält jedoch inne und sieht mich an. Ich sehe den Bluterguss an ihrem Kinn und mein Puls beschleunigt sich. Schnell sehe ich wieder hoch auf ihre Jackie-Onassis-Sonnenbrille und die beiden verzerrten Abbilder meiner Wenigkeit auf den schwarzen Gläsern.
»Hat jemand in Ihrer Familie geheiratet?«
»So ungefähr.« Ich berichte von der riesigen mexikanischen Hochzeit gestern und dass wir jedes Mal so viel Kuchen mitbringen, wie wir tragen können. Als ich mit meinem Bericht am Ende bin, lächelt sie.
»Das kenne ich. Das haben meine Schwestern und ich in Massachusetts auch immer so gemacht.«
»Boston?«, frage ich.
»Sandwich.«
»Echt? Es gibt wirklich einen Ort, der Sandwich heißt?« Das stachelt meine Fantasie an. »Was für eines?«
Sie ist einen Moment lang still und beantwortet dann eine ganz andere Frage. »Es ist eine kleine Stadt in New England … die älteste auf ganz Cape Cod.«
»Wenn ich mir aussuchen könnte, woher ich komme, dann wäre es Pizzaville.«
Sie mustert mich schweigend und gerade als ich denke, jetzt hält sie mich für eine hoffnungslos schrullige Insulanerin, sagt sie: »Und ich wäre aus Käsekuchen.«
»Dem Dorf oder der Stadt?«
»Der Stadt.«
Wir stehen da und lächeln uns verlegen an, als ein schwarzer Range Rover in die Auffahrt biegt. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sich die misshandelte Ehefrau versteift.
»Was ist denn hier los?«, ruft ihr Ehemann, während er aus dem Auto steigt. Er sieht mich so finster an, als wäre ich eine Zeugin Jehovas mit Pocken.
»Oh, hi. Ich bin Tomi. Mein Großvater wohnt gleich da drüben«, sage ich und deute auf unser Haus. Ich sehe Papa, der nicht allzu begeistert zu uns herüberschaut, beim Truck stehen.
Dann wende ich mich wieder an das Arschloch. »Ich hatte nur gehofft, Sie würden uns ein paar Stücke Hochzeitstorte abnehmen«, erkläre ich mit zähneblitzendem Lächeln.
Er zieht seine teure Sonnenbrille ab und versucht mich niederzustarren. Ich starre zurück. Er wendet den Blick als Erster ab und stempelt mich unverhohlen zum billigen Luder. Diese Musterungsstrategie ist krank, aber sie wirkt. Instinktiv weiß ich, dass er seine Ehefrau mit genau dieser Methode bei ihrem ersten Treffen festgenagelt und damit ihr trauriges Schicksal besiegelt hat.
»Danke, aber Gracie isst keinen Zucker«, erklärt er, als wäre sie eine hyperaktive Dreijährige.
»Ein Tag ohne Zucker ist doch wie ein Tag ohne Sonne oder Zigaretten«, trällere ich in dem Versuch, die Stimmung aufzuhellen.
Er lacht nicht. Stattdessen nimmt er mich vorsichtig am Arm und führt mich ein Stück zur Seite. »Meiner Frau geht es nicht gut«, sagt er mit leiser und plötzlich müder Stimme. »Sie hat vor Kurzem versucht, sich mit einer Überdosis Wasser umzubringen.«
Einen Augenblick lang schockiert mich die Vorstellung, wie sie da steht, einen Wasserschlauch wie eine geladene Pistole im Mund, und versucht nicht zu weinen, um damit ihren Selbstmordversuch nicht zu vereiteln.
»Das tut mir furchtbar leid«, sage ich etwas atemlos.
Er nimmt meine Worte mit einem knappen Nicken entgegen. »Sie wurde zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht. Vor etwas mehr als zwei Wochen habe ich sie wieder heimgeholt. Es ist eine schlimme Zeit für uns und das Letzte, was wir gebrauchen können, sind Polizisten vor der Haustür, während sie wieder einen ihrer Zusammenbrüche hat.« Er behält mich scharf im Auge und beobachtet meine Reaktion.
Mir geht jene Nacht durch den Kopf, in der er seine Frau mal wieder mit einem
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