Spitfire: Kühler Tod
Stromausfall kühl. Und außerdem habe ich so einen Frischwasservorrat … falls es mal ein Erdbeben gibt.«
»Clever«, gebe ich beeindruckt zu. »Was ist das da?« Ich deute auf eine Plastiktasse.
»Urin. Hey … würdest du vielleicht für mich in eine Tasse pinkeln?«
»Herrgott, nein!«, protestiere ich zu laut und knalle die Kühlschranktür zu. »Knack endlich dieses Schloss, damit ich wieder gehen kann!«
»Mein Werkzeug ist hinten.« Er führt mich einen Gang entlang.
Mir fällt wieder ein, was Whim mir einmal erzählt hat: Herpes ist in dieser Wohnung aufgewachsen. Er war ein Einzelkind. Seine Mutter arbeitete bei Woolworth und schob oft Doppelschichten. Während der Sommerferien belegte Herpes sämtliche Kurse, die den Kindern unterprivilegierter Familien kostenlos angeboten wurden. Als er zwölf Jahre alt war, nahm er an einem Amateurfunkkurs teil, und schon war seine Leidenschaft für die Spionagetechnologie geweckt.
Er stößt eine Tür auf und verkündet: »Und hier … ist meine Zauberkammer.«
Ich erwarte schon, in die Toilette geführt zu werden, doch stattdessen tut sich vor mir ein Zimmer auf, dessen Wände mit Reihen von Regalbrettern gesäumt sind. Auf jedem der Bretter stapeln sich Apparate, Bücher, Drähte und Werkzeuge.
»Was genau habe ich da vor mir?«, frage ich und gehe an den Regalen entlang.
»Willkommen in meiner Forschungs- und Entwicklungsabteilung«, entgegnet er stolz.
»Wie die Q-Abteilung in den James-Bond-Filmen?«, frage ich und sehe die schwarzen Frauensilhouetten vor mir, die in jedem Bond-Vorspann auftauchen. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke,wird mir bewusst, dass die Figuren in der Apple-Werbung genauso aussehen. Nur mit weißen Ohrhörern.
»Nein … wie in den Büchern«, korrigiert er knapp.
Ich halte ein kleines, viereckiges Plastikdings hoch. »Was ist das?«
»Ein Miniatur-GPS-Ortungsgerät. Es ist mit allen vierundzwanzig Satelliten des Verteidigungsministeriums verbunden und kann das Zielobjekt auf den Zentimeter genau orten.«
»Wow!« Dann deute ich auf eine Insektenaugenbrille. »Nachtsichtbrille«, erklärt er.
»Wie in
Das Schweigen der Lämmer?«
Ich setze sie auf und drücke auf einen Kopf an der Seite. Sofort blendet mich ein grellweißes Licht und ich muss die Augen schließen.
»Viel besser als im Film«, sagt er. »Dieser Knopf da rechts aktiviert ein LED-Licht, mit dem man noch weiter in die Dunkelheit sehen kann.«
Ich hänge die Brille zurück und schnappe mir einen Kaffeebecher. »Lass mich raten. das hier ist ein Stimmverzerrer?« Ich atme schwer in den Becher und röchle: »Ich bin dein Vater, Luke«, wobei ich die Betonung auf
ich
lege.
»Das«, sagt er und nimmt mir den Becher weg, »ist ein Kaffeebecher, den ich hier vergessen haben muss.«
»Wundert mich, dass die Polizei dein Spielzeug nicht konfisziert hat.«
»Das durften sie nicht. Ihre Befugnisse bezogen sich nur auf die Andenken des Mörders …«
Traurig denke ich an Justins iPod und an Whims Hasenpfote, dann wird mir bewusst, dass Herpes immer noch redet. »… ein paar Sachen fehlen trotzdem. Mein Super-Miniskop und mein Füller mit unsichtbarer Tinte. Scheißcops.«
Herpes greift nach einem Schlüsselring. »Ich könnte das Schloss knacken, aber dann müsstest du zurückkommen und es mich wieder verschließen lassen. Ich leihe dir den Dietrich. Aber ich will ihn zurück, er gehört zu einem kompletten Set.«
»Ich werde ihn hüten wie meinen Augapfel.«
Im Wohnzimmer sehe ich dabei zu, wie Herpes systematisch jeden Dietrich ausprobiert. Aus unerfindlichen Gründen zählt er dabei Berühmtheiten auf, die in meinem Alter gestorben sind. »The Big Bopper, Big Pun, Brandon Lee …« Er dreht den nächsten Dietrich im Schloss und es klickt. Wir erstarren.
»Heureka!«, ruft Herpes und öffnet den Koffer.
Ich schnappe ihn ihm weg. »Ich erzähle dir, was ich herausfinde, versprochen«, beteuere ich und strecke die Hand nach dem Dietrich aus.
»Schon, aber ich möchte es sofort wissen, nicht erst nächsten Monat.« Ich greife nach dem Dietrich, aber er verschließt ihn in der Hand. »Sind wir uns einig?«
Ich habe vor, Scott auf Schritt und Tritt zu überwachen, und Herpes Sammlung könnte dabei sehr nützlich sein. »Klar«, sage ich, bekomme den Dietrich und verschließe den Koffer wieder.
Zurück in Nickels Wohnung öffne ich seinen Laptop und schalte ihn ein. Zuerst versuche ich es mit seiner Dienstnummer als Passwort. Nichts. Ich kombiniere
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