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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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erschrocken vom Mordplan ab und verschwand im Dickicht des Waldes. Da sprach der andere zu sich selbst: »Hundert Monde sind vergangen, seit ich den herrlichen Palast meines Vaters verließ; getrieben von dem Wunsch, jene zu finden, die ich einstmals verlor. Wo ist jene, die zusammen mit mir den leuchtenden Gipfel zu finden sucht, der uns beide wieder miteinander vereint?«
    Am Morgen darauf war ich guter Dinge und machte mich gleich nach dem Frühstück zu einem Rundgang durch das Zentrum von Manhattan auf. Staunend stand ich vor dem Chrysler Building, dessen Art-déco-Spitze in ihrem glänzenden Gewand aus poliertem Chromnickelstahl so herausfordernd und außergewöhnlich war, dass ich mich in ein Straßencafé setzte, um sie einfach nur zu bewundern. Fantastisch, bizarr und exotisch wie er war, hätte ich diesen Turm stundenlang betrachten können. Auch mein nächstes Ziel, das im Jahr zuvor fertig gestellte Empire State Building, das höchste Gebäude der Welt, wie der Baedeker schrieb, war ein wunderbar einfacher und strahlend schöner Wolkenkratzer, wie ich ihn mir selbst in meinen bizarrsten Träumen nicht hätte vorstellen können. Ganz Manhattan erschien mir wie ein Stein gewordener Traum, gewaltig und irisierend, von grandioser Erhabenheit und Höhe, mit einer ganz und gar beeindruckenden Symmetrie.
    In einem kleinen Restaurant nahm ich im Schatten der riesigen Türme ein Mittagessen ein. Als es Zeit war, stieg ich in ein Taxi und ließ mich in das sich in östliche Richtung erstreckende Long Island fahren, in eine Gegend, die nur durch eine gefällige Bucht von der Stadt getrennt war.
    Der Fahrer, dem ich Felix Warburgs Adresse nannte, brachte mich in eine Wohngegend, die wie eine Ansammlung von Herrensitzen aus kolonialer Zeit wirkte. Einmal hatte ich gehört, dass altes Vermögen hier ansässig war, von alten Familien behütet, und dass Neureiche nur schwer Einlass in diese erlauchten Kreise fänden. Felix Warburg war einer der wenigen, die es offenbar geschafft hatten.
    Das Haus lag hinter hohen, getrimmten Hecken. Ich gab dem Fahrer Geld und bat ihn, in der Nähe zu warten, dann drückte ich auf die Klingel neben dem schmiedeeisernen Tor, das die Einfahrt verschloss. Fünf Minuten vergingen, bis ein alter Hausangestellter herbeigeschlurft kam, sich die Hände an einer grünen Arbeitsschürze abwischte und mich, nachdem ich meinen Namen genannt hatte, den herrschaftlichen Landsitz betreten ließ.
    Ein mit Kies bedeckter Weg erstreckte sich über eine Entfernung von sicherlich 80 Metern bis hin zu einem massiven Gebäude aus grauem Granit, dessen Mauern mit Efeu überwachsen waren. Das Dach war aus Schiefer, die Regenrinnen und Fensterrahmen mit Kupfer verkleidet. An der rechten Seite des Hauses konnte man die Anfänge eines Rosengartens erkennen.
    An der Haustür reichte der Alte mich an eine afroamerikanische Angestellte weiter, die mich in die geheiligte Halle dieser viktorianisch anmutenden Villa eintreten ließ, in der ein paar Ölgemälde mit Landschaftsmalereien an den Wänden hingen. Von da ging es weiter in eine an die Halle angrenzende Bibliothek, wo mich Warburg erwartete, ein Mann in den späten Fünfzigern von großer, schlanker Gestalt.
    »Ich hoffe, es hat Ihnen nicht zu viel Mühe bereitet, den weiten Weg zu mir heraus nach Long Island zu machen, Herr Goltz«, sagte Warburg. »Ich habe mein Stadtbüro vor einem halben Jahr aufgegeben. Um meine Arbeit zu verrichten, bin ich nicht mehr darauf angewiesen, außerhalb meines wunderbaren Hauses präsent zu sein.«
    Sein Haar war grau, und sein fein geschnittenes Gesicht machte einen strengen Eindruck. Die Wände des Raumes waren mit Eichenholz getäfelt. Knapp unter der Decke aus gemusterten Metallplatten hingen zarte Lampen aus mundgeblasenem Glas. Eine Ecke des Raumes wurde von einem mächtigen alten Kamin aus kunstvoll behauenem Dolomitkalk eingenommen. Es roch mächtig nach altem Geld.
    Ich ergriff die mir entgegengestreckte Hand und bedankte mich artig für die Einladung. »Gewiss ist es ein großer Glücksfall, an einem Ort wie diesem leben zu können«, stellte ich fest. »Seit wann wohnen Sie in New York?«
    »Mit dem Glücksfall haben Sie recht. Ich bedaure es heute überhaupt nicht mehr, Deutschland bereits vor 20 Jahren verlassen zu haben!«, erwiderte Warburg. »Der Weltkrieg ist mir erspart geblieben; natürlich hat mir Deutschland zuweilen gefehlt, aber die Zeit heilt alle Wunden, auch das Heimweh. Doch sprechen wir von Ihnen!

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