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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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kommt es gar nicht an«, gab Warburg zurück. »Hindenburg ist nicht bedeutend genug, um es mit den Kräften, die jetzt in der deutschen Geschichte obwalten, aufnehmen zu können.«
    »An welche Kräfte denken Sie?«
    »Ich dachte an die Kräfte des Bösen.«
    »Da mag der Reichspräsident auf verlorenem Posten stehen.«
    Warburg erhob sich aus seinem Sessel. »Kommen Sie, wir wollen ein wenig hinaus in den Garten gehen. Es ist ein so schöner und warmer Herbstnachmittag.«
    Hinter der Verandatür betraten wir eine sanft abfallende Terrasse, die in einen kleinen parkartigen Garten führte, in dem trotz der vorgerückten Jahreszeit ein üppiger Pflanzenwuchs stand. Rosen und Rhododendron, gelbe Forsythien und bunte Azaleen entfalteten ihre Pracht. Ich sah die Spitzen von Pflaumenbäumchen, die inmitten eines Obsthains wuchsen, dahinter erreichten wir einen runden Marmortempel, der sich auf einer Lichtung erhob. Es war ein Rundbau mit braunen Säulen, auf denen in Stein gemeißelte erotische Szenen abgebildet waren. Die Sonne stand schon tief, ein einziger schräger Strahl fiel durch die Öffnung in der Kuppel und erhellte eine nackte Venus, die einen Liebhaber leidenschaftlich umarmte, mit dem sie im Innern des Tempels auf einem Sockel saß.
    Wir setzten uns unweit des Marmortempels auf eine Bank und Warburg zündete sich eine weitere Zigarette an. »Ich glaube, Ihren Äußerungen entnehmen zu können, dass Sie anders als der Mann, in dessen Auftrag Sie kommen, kein direkter Anhänger jener Bewegung sind, die ihren Anteil daran hat, dass wir uns heute über eine gescheiterte Ehe unterhalten müssen«, sagte er. »Ich bin erleichtert.«
    Der Sinn seiner Bemerkung erschloss sich mir nicht. »Was hat denn das Scheitern der Arnheim’schen Ehe mit den politischen Ansichten meines Mandanten zu tun, die ich, nebenbei erwähnt, überhaupt nicht kenne?«
    Warburg rauchte schweigend weiter, als ob er darüber nachdachte, wie er sich besser erklären könnte, anschließend warf er die Zigarette auf den Boden und trat die Glut aus.
    »Wenn ein Mann wie Hindenburg nicht bedeutend genug ist, um sich gefährlichen Entwicklungen in Deutschland mit Aussicht auf Erfolg in den Weg zu stellen, so gibt es doch andere, die dazu in der Lage sind«, prophezeite er, »und das selbst dann, wenn sie über keine direkte politische Macht verfügen. Florence Arnheim gehört zu ihnen. Aus diesem Grunde musste sie Deutschland verlassen; aber auch hier in Amerika muss sie in ständiger Angst vor ihren Feinden leben.«
    Die Sonne glänzte über der Kuppe des Venustempels und glühte auf den Bäumen und Sträuchern mit einem geradezu märchenhaften Schimmern. Es war das fantastische Tageslicht des Indian Summers, wie die Amerikaner diese frühherbstliche Jahreszeit nannten – ein mildes Leuchten, das eine ganz besondere Stimmung erzeugte.
    »Feinde?«, fragte ich. »Die Nationalsozialisten buhlen um Hindenburgs Gunst. Welchen Anlass sollten sie denn haben, sich ausgerechnet vor Florence zu fürchten?«
    Warburg sah eine Weile zu den Bäumen. Mir erschien es, dass ihm die milde Stimmung des Spätsommertages wichtiger als unser Gespräch geworden war.
    »Die Macht des Bösen ist groß, allerdings nicht unbegrenzt«, sagte er schließlich. »Diese Leute wissen, dass Florence zu den wenigen Menschen gehört, die diese Macht infrage stellen können. Sie werden verstehen, Herr Goltz, dass ich Ihnen im Moment nicht mehr dazu sagen kann. Sie sind schließlich der Vertreter von Philipp Arnheim.«
    »Sie wollen sagen, ich bin ein Vertreter des Bösen?«
    Warburg lächelte. »Ihre persönliche Integrität stelle ich selbstverständlich nicht infrage – wohl aber die Ihres Mandanten.«
    Die Art, wie er das Gespräch führte, ging mir allmählich auf die Nerven.
    »Vielleicht sollten wir die Politik einmal beiseite lassen und einfach nur über die Scheidung sprechen«, schlug ich vor.
    »Wir haben Florence abgeraten, sich mit jemandem von der anderen Seite zu treffen«, fuhr Warburg unbeirrt fort. »Doch Florence hat unseren Rat in den Wind geschlagen. Wenn Sie kämen, wäre sie einverstanden, Ihnen würde sie vertrauen. Vielleicht wüssten Sie sogar eine Lösung. Nun also: Wie sieht Ihr Lösungsvorschlag aus?«
    Ich sagte nichts, weil man auf eine solche Bemerkung keine Antwort gab. Mir nach einer Anreise von mehreren Tagen anhören zu müssen, ich hätte lieber zu Hause bleiben sollen, war schon ein starkes Stück.
    »Nun?«, wollte er nach einer Weile

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