Spitze Buben
verkaufen, damit sie selbst nicht arbeiten müssen. »Halt es mit mir aus, Morpheus.«
»Das tue ich, Garrett. Und mit deiner Art. Ob du willst oder nicht, ihr seid die Gegenwart und Zukunft dieser Welt. Der Rest muß sich eben seine Nischen suchen, so gut es geht. Ansonsten wird uns die Zeit übergehen.«
»Bravo!« Ich klatschte Beifall. »Du hast die richtige Vision. Du solltest dich in den Stadtrat wählen lassen.«
»Dafür bin ich nicht menschlich genug. Und außerdem hätte ich dafür keine Zeit.«
Ich war einen Augenblick verblüfft. Er hatte meine witzig gemeinte Bemerkung ernst genommen. Interessant. Morpheus Ahrm, Knochenbrecher und Auftragsmörder: ein Stadtrat?
Immerhin könnte das zeigen, in was für einer Zeit wir lebten. Der Gottverdammte Papagei könnte genausogut regieren wie die verrückten und unfähigen und senilen Vollidioten, die im Moment das Sagen haben.
TunFaire ist eine Menschenstadt im menschlichen Königreich von Karenta. Es gründet sich auf zahlreiche Verträge. Das bedeutet: Menschliches Recht gilt überall, nur nicht wo es durch bestimmte Verträge in gewissen Punkten oder Regionen anders geregelt wird. TunFaire ist außerdem eine »offene Stadt«, das heißt, jede Rasse mit einem Gesellschaftsvertrag kann sich hier frei bewegen und genießt im wesentlichen dieselben Rechte und Privilegien wie alle karentinischen Untertanen. Und theoretisch haben sie auch dieselben Pflichten.
In der Praxis sieht es so aus: Die Rassen kommen und gehen, wie sie wollen, Vertrag oder nicht, und viele Nicht-Menschliche Rassen umgehen ihre Verpflichtungen. Zentauren sind das herausragende Beispiel. Sämtliche Verträge mit den Zentauren wurden null und nichtig, als die Stämme zu Glanz Großmond überliefen. Rechtlich gesehen sind sie jetzt feindliche Fremde. Aber sie überfluten die Stadt und das Königreich, seit Großmonds Republik eingeht. Und nur die Extremisten scheinen sich dagegen zu wehren.
Gastarbeiter und eingemeindete Nicht-Menschen machen etwa die Hälfte der Bevölkerung von TunFaire aus. Jetzt, wo der Krieg langsam zu Ende geht, begreifen immer mehr Leute, daß die Gesellschaft vor einer dramatischen Veränderung steht. Es baut sich ein sehr starkes Ressentiment auf.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Frage der Nicht-Menschlichen Rassen ein zentraler Punkt in der Politik wird. Das ist sie jetzt schon für Splittergruppen wie »Der RUF«. In der Botschaft des RUFs findet man keine Beschönigung und auch kein langes Gefasel. Ihre Strategie, wenn man sie denn so nennen kann, ist: Tötet alle Nicht-Menschlichen, bis die Überlebenden fliehen.
Hoffentlich führte mich diese Schweinerei hier nicht mitten in dieses Hornissennest radikaler Politik. Götter über und auch unter mir, erspart mir die Verwicklung in eine Politik – ganz gleich welchen Ruchs.
Morpheus und ich suchten weiter. Wir suchten oben und unten, in alle vier Himmelsrichtungen und dann noch dazwischen. Wir widmeten der Suite, die angeblich Justina Jenn gehört hatte, besondere Aufmerksamkeit.
»Hier hat niemand gewohnt, Garrett«, erklärte Morpheus schließlich. »Das war nur Requisite.«
Ich stimmte ihm zu.
»Glaubst du, daß wir noch was finden?« erkundigte ich mich.
»Bezweifle ich. Willst du es im Keller versuchen?«
»Du?«
»Ich erinnere mich an das letzte Mal, als wir in einen Keller eingestiegen sind. Lieber würde ich einkaufen gehen.«
»Kupfer & Feld. Die Hühnerzahn-Händler. Ob sie das Mädchen wirklich kannten?«
»Ein Mädchen«, brummelte ich. In letzter Zeit verschoben sich Identitäten zu häufig.
»Stimmt. Aber es ist ein Anfang. Hast du was dagegen, wenn ich mitkomme? Ich komm' seit einer Weile kaum noch vor die Tür.«
»Aber gern, mit dem größten Vergnügen.« Ich hatte gewußt, daß er mitkommen würde. »Wenn diese Schacherer nicht darüber geredet hätten, könnte ich nicht mal glauben, daß es das Mädchen wirklich gibt.«
»Ein Mädchen. Wie du schon richtig gesagt hast. Was hält uns dann noch auf?«
»Gute Frage.« Wir sahen uns auf der Straße um. Winger und einer dieser wilden Piraten behielten die Gasse im Auge und taten so, als sähen sie sich gegenseitig nicht. »Nett zu sehen, wie gut die Leute miteinander auskommen.«
»So läuft die Welt wie geschmiert. Reiß dich von dem Anblick los und kontrollier die Front.«
Die Vorderseite des Hauses war nicht so langweilig, wie sie von der Straße her ausgesehen hatte. Ich spähte hinaus.
Der Profi hatte damit gerechnet,
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